Atlantik

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Vor zwei Wochen waren wir an der französischen Atlantikküste. Endlose, menschenleere Strände, jagende Wolken, dazwischen wieder strahlender Himmel und das ewige Donnern der Wellen. So recht eine Szenerie, um sich Gedanken an die Ewigkeit der Dinge hinzugeben. Aber das klappte nur bedingt, weil ich das erlebte, was die Buddhisten als Dukkha bezeichnen. Üblicherweise wird das mit „Leid“ übersetzt, aber das trifft es nicht ganz.

Im Kindergartenbuddhismus sagt man: „Alles Leben ist Leid“ und glaubt, dass nichts Spaß macht, aber so naiv war der Buddha nicht. Natürlich macht es Freude und Vergnügen, auf dem Volksfest Wilde Maus zu fahren oder mit Freunden zusammen zu sein oder was auch immer. Aber – wenn man genau hinschaut oder präziser, hinfühlt, nehmen wir im Hintergrund immer einen mehr oder weniger deutlichen Schatten wahr. Wir sind nie zu hundert Prozent glücklich. Entweder es fällt uns dies oder das ein, was die Freude trübt oder wir sehen etwas, was wir in diesem Augenblick nicht so mögen. Vielleicht ist es auch leise Wehmut, weil wir schon das Ende der Freude erahnen.

Dukkha meint die Tatsache, dass, was immer wir empfinden, dem Strom der Zeit, der Vergänglichkeit unterworfen ist. Vielleicht sitzen wir an einem regnerischen Tag im Zimmer und schauen zum Fenster hinaus und erinnern uns wehmütig an den Sommer mit seiner Sonne und seiner Wärme. Wir möchten gerne so ausgelassen und fröhlich sein wie an diesen Tagen, als wir im Wasser eines Badesees schwammen. Aber das geht nicht. Die Stimmung lässt sich nicht wiederholen und das macht uns etwas traurig. Dukkha!

Nun kann man natürlich wie weiland der große Theo Lingen sagen: „Traurig, traurig, traurig“ https://www.youtube.com/watch?v=VT4Q2mBRkAo, muss man aber nicht. 

Diese leise Trauer, die sich durch unser Leben zieht, ist uns oft lästig. Fröhlich, tatkräftig und fit wollen wir sein. Einmal kurz geschüttelt, in die Hände gespuckt und weg ist dieses lästige Gefühl. Aber – wir begeben uns damit so mancher Chance zu tieferer Erkenntnis. Zum einen kann es sein, dass wir uns durch Dukkha unserer Machtlosigkeit deutlicher bewusst werden. Ich ertappe mich selbst oft, dass ich gegen die Politik wettere oder mich über eine Person aufrege oder was auch immer. Innehalten und spüren lernen, dass vieles nicht änderbar ist, ist ein Schritt hin zu dem Ziel, die Welt als eine Bühne der Erscheinungen zu sehen. Es ist eine Übung, das Geschehen aus der Distanz zu betrachten und sich nicht immer wieder hineinziehen zu lassen. Sind wir ehrlich. Sich zu ärgern über dies oder jenes ist zu jeder Tages – und Nachtzeit mühelos möglich. Das ist austauschbar. Eine Kette von endlosem inneren Geschwafel.

Dukkha kann uns zur gern und oft vermiedenen Stille hinführen. In dem Artikel „So nimm dein Kreuz…“ vom 20.9.2017 schrieb ich über die Verstoßung aus dem Paradies. Wir haben die Einheit mit Gott verloren. Klar, wir haben dadurch eigenes Bewusstsein erworben. Wir können sagen: „Ich bin“, aber was ist das gegen die „bewusstseinslose“ Glückseligkeit Gottes? Irgendjemand hat es so definiert, dass die Schöpfung über die Erkenntnis ihrer selbst zum Schöpfer zurückkehrt.

Das ist der Weg, der zu gehen ist, da wir ja auch Teil der Schöpfung sind. Diese leisen Wehmutsgefühle sind der Wegweiser zurück zur Einheit oder Samadhi oder wie immer wir es nennen.

Jesus sagte: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Also ist es auch nicht möglich, zu einhundert Prozent glücklich zu sein. Dukkha ist der Antrieb für den spirituellen Weg.

 

 

 

 

 

 

 

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