Leben ist Bewegung. Wenn man dem glaubt, was die Weisen sagen, nämlich dass das einzig Stabile der Wandel ist, ist man auf der richtigen Spur.
Aber – wie so oft, wenn wir zustimmend lächeln, sieht die Sache, wenn sie fühlbar wird, ganz anders aus. Dann müssen wir zugeben, dass wir von Wandel überhaupt nichts halten. Wir sind große Festhalter. Alles was unsere Routine stört und uns von unseren Vorstellungen abbringt, ist uns verhasst.
Als ich vor über vier Jahrzehnten meine Yogalehrerausbildung am Yogainstitut in Bombay machte, sprachen wir dort von „the benevolence of the higher reality“. Wir nehmen mit unseren Sinnen nur einen oberflächlichen Teil der Realität wahr. Den weitaus größten Teil können wir nur durch Reflexion wahrnehmen. Diese „höhere Realität“ ist im Prinzip wohlwollend. Das Universum ist nicht feindlich. Es ist nur nicht mit menschlichen Maßstäben zu messen. Vielmehr hat es das Ziel, die Schöpfung, und damit auch uns, auf eine höhere Bewusstseinsebene zu bringen.
Nehmen wir das gegenwärtige Szenario mit dem Corona-Virus und die Klimaschutzbewegung: Letztere plädiert für weniger Flüge, weniger Kreuzfahrtreisen, weniger Schiffsverkehr, weniger Reisen allgemein usw. All dies hat gegenüber früher stark zugenommen, weil die Menschheit angewachsen ist auf über acht Milliarden. Diese Masse verdrängt alle anderen Spezies und fällt über den Planeten teilweise wie eine Horde Heuschrecken her. Gleichzeitig steigt die Lebensdauer an. Werden wir uns freiwillig einschränken? Schwerlich!
Domian, der viele Nächte im WDR für die Sorgen der Nation ein Ohr hatte, meinte kürzlich in einem Interview, dass gerade die „Gretageneration“ durch ihr ungehemmtes Konsumverhalten die Ausbeutung des Planeten auf ein nie dagewesenes Niveau getrieben hat.
Nun haben wir den Virus und es passiert genau das, was alle Umweltschützer und Klimaaktivisten immer gefordert haben, aber – eben nicht, wie sie es sich vorgestellt haben.
Sehen wir uns die Migrationsbewegungen nach Europa an. Da gibt es zwei grobe Richtungen. Die einen sind dafür, die anderen dagegen.
Alles in der Welt strebt einen Ausgleich an. Es kann nicht sein, dass eine Seite immer wohlhabend ist und die andere Seite darbt. Diejenigen, die den Status Quo erhalten möchten, werden wohl zu Kompromissen gezwungen werden. Die, die alle ins Land holen möchten, werden eines Tages sehen, dass sich die Gesellschaft nicht nur in die Richtung entwickelt hat, die sie von ihrer, jetzt noch wohlbehüteten Lebenssituation aus anstreben. Das Institut für Weltwirtschaft beziffert die jährlichen Kosten der Migration zwischen 25 und 55 Milliarden € jährlich. Das muss irgendwoher kommen. Ebenso werden wohl Brüche in Bezug auf die Sicherheit des Einzelnen und die individuelle Freiheit auftreten.
Sehen wir uns einmal auf der persönlichen Ebene um. Stellen wir uns die Frage, ob es im Rückblick gut gewesen wäre, wenn alles genau so verlaufen wäre, wie wir es geplant haben? Ich kann für mich sagen, dass ich mit Sicherheit nicht an dieser Stelle sitzen und mich mit Yoga beschäftigen würde, wenn ich in der Kommandozentrale gesessen wäre.
Worum geht es denn letztlich im menschlichen Dasein? Geht es darum, reich zu werden oder mächtig? Nein, es geht darum, weise zu werden! Es geht darum, mehr Liebe in die Welt zu bringen. Es geht darum, die Wahrnehmung für tiefere Prozesse der Realität zu entwickeln.
Da wir ängstliche Wesen sind, die sich in diese große, unübersichtliche Welt geworfen sehen, werden wir immer dazu tendieren, Dinge festzuhalten. Festhalten heißt jedoch Stillstand. Um aber die oben genannten Ziele zu erreichen, muss die „wohlmeinende Realität“ zu anderen Mitteln greifen, um uns zu formen.
Wir müssen auch den Faktor „Zeit“ in Betracht ziehen. Rückblickend werden wir sehen, dass sich Konflikte, innere Brüche und Störungen in der ihnen eigenen Zeitspanne gelöst haben. Diese Zeit können wir nur zum Teil beeinflussen. Lösungen können lange dauern. Vielleicht sogar bis kurz vor dem Sterben. Das heißt aber nicht, dass alles dazwischen umsonst war.
Vielleicht musste es so und so lange dauern, bis wir reif dafür waren und bis viele anderen Prozesse, die auch involviert waren, an einem bestimmten Punkt anlangten.