Yoga und Psychotherapie

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Der Mensch, geschaffen nach Gottes Ebenbild, hat im Lauf der letzten Jahrhunderte drei Kränkungen hinnehmen müssen, die sein Selbstverständnis gewaltig erschütterten.

Diese Drei sind:

Die Aussage Kopernikus‘, dass die Erde um die Sonne kreist und nicht umgekehrt.

Darwins Lehre, dass der Mensch von den Tieren abstammt.

Freuds These, dass wir nicht Herr im eigenen Haus sind, weil der Verstand und der Wille nicht für unser Verhalten maßgebend sind, sondern dass wir vom Unbewussten gesteuert werden, welches wir nicht steuern können, wie der Name schon sagt. Unsere Triebe, vor allem der Sexualtrieb, liege unserem Handeln zugrunde. Hinzu kämen vielfältige neurotische Störungen.

Uns interessiert hier die letzte der klassischen Kränkungen, nämlich Freuds These.

Jeder von uns möchte ein glückliches, freies, selbstbestimmtes Leben führen, frei von Ängsten und Beschränkungen. Warum gelingt das so schwer und warum fallen wir immer wieder in alte Gewohnheiten, die wir an uns eigentlich nicht mögen?

Ein Beispiel mag verdeutlichen, worum es geht.

Zwei kleine Buben spielen im Kinderzimmer. Bis zum Alter von ungefähr drei Jahren ist bei Kindern das Sozialverhalten noch nicht stark ausgeprägt. Das bedeutet, dass zunächst einmal die eigenen Bedürfnisse an erster Stelle stehen. Das ist entwicklungspsychologisch begründet, denn der kleine Mensch, der ja hilflos ist, muss zuerst an sich, das heißt ans Überleben denken und dazu muss er so viel nehmen, wie er kriegen kann, ohne Rücksicht. Eltern wissen, wovon ich spreche.

Zurück zu den zwei Buben. Zunächst ist das Spiel ruhig und harmonisch, bis den einen das Holzauto, mit dem der andere sich gerade beschäftigt, interessiert. Er möchte das auch haben und versucht, es dem anderen aus der Hand zu reißen. Ein für ein Kleinkind vollkommen natürlicher Vorgang. Aber, der Bruder gibt es nicht freiwillig her. Erst als er mit einem Baustein auf den Kopf geschlagen wird, lässt er unter Geschrei los.

Das hört die Mutter, die darauf ins Kinderzimmer eilt und mit scharfem mütterlichen Blick die Lage sofort erfasst, nämlich: „Böses Kind, man schlägt seinen Bruder nicht und nimmt ihm auch nichts weg. Sofort gibst du ihm das zurück. So, und nun spielt schön weiter.“

Analyse: Für den „Angreifer“ ist sein Verhalten vollkommen klar und normal: „Der hat etwas, das ich haben will und deswegen nehme ich es ihm weg.“ Wie anders sollte das sonst gehen? Er weiß noch nichts von Absprachen, Verhandlungen usw.

In dem Moment, in dem er das Auto hat, stellt sich ein Gefühl von Zufriedenheit und Glück ein. Das Geschrei des Bruders ist nicht wichtig.

Jetzt kommt die Mutter und schimpft, völlig unverständlicherweise: „Böser Junge!“ Übersetzt heißt das: „Das positive Gefühl, das ich hatte, als ich das, was ich wollte bekam, ist schlecht oder böse.“ Das kleine Kind übernimmt die Schuld, die ihm die Mutter aufdrückt, obwohl es sie nicht versteht.

Es lernt unbewusst daraus, dass sich stark und mächtig Fühlen, weil man etwas erreicht hat, nicht gut ist, weil Mama dann böse wird und das kann man sich auf keinen Fall erlauben, denn die Liebe der Mutter steht über allem, sie ist (über)lebenswichtig. Um den Preis der mütterlichen Liebe muss das gute Gewinnergefühl weggeschoben werden und darf nicht mehr gefühlt werden. Es wird ins Unbewusste verdrängt. Dort entwickelt es dann seine eigene Dynamik.

Wenn das Kind schon differenzierter denken könnte, dann könnte es sagen: „Ich habe das Auto, das ich wollte. Brüderchen schreit, das interessiert mich aber nicht und Mama ist jetzt sauer auf mich, aber das ist ihr Problem und nicht meines.“

Wenn sich Erfahrungen wie hier geschildert häufiger wiederholen und auch von heftigen Gefühlen begleitet werden, dann entwickelt sich eine neurotische Störung.

Erfahrungen der eigenen Stärke und des darob erfolgenden Glücksgefühls dürfen nicht wahrgenommen werden, sie sind schlecht.

Viele von uns hatten schon mit Menschen zu tun, deren Verhalten uns vollkommen unverständlich erscheint.

Beispiel: Ein Freund leidet unter seinem cholerischen Chef. Für uns ist die Lage klar: „Du musst dem in deutlichen, aber höflichen Worten klarmachen, dass er so mit dir nicht umgehen kann!“ Im Folgenden sagt der Freund: „Das kann ich nicht. Das stellst du dir so einfach vor. Du kennst den nicht.“ usw. Wir sitzen dann da und verstehen nicht, warum das nicht gehen soll, es ist doch nicht schwierig, dem Chef mal entgegen zu treten.

Es ist für uns nicht schwierig, weil wir diese Verdrängungen, von denen oben die Rede ist, nicht haben. Für unseren Freund aber ist es nicht möglich, sich zu wehren, weil er an einer neurotischen Störung leidet, die ihm unbewusst sagt, dass Stärke oder sich Durchsetzen schlecht ist.

Zum Schluss: Wie hätte sich die Mutter richtig verhalten sollen? Etwa so: Nicht gleich agieren und verurteilen, sondern erst mal fragen, was passiert ist. Dann: „Du wolltest das Auto gerne haben, das versteh‘ ich. Aber schau, dein Brüderchen weint jetzt, das tut ihm weh, möchtest du ihn trösten? Was meinst du, wenn du ein bisschen mit dem Auto spielst und dann gibst du es ihm wieder?“

Auf diese Weise hätte die Mutter vermieden, dass Schuldgefühle bleiben oder das Kind um ihre Liebe bangen muss. Das Kind hätte nichts verdrängen müssen und sie hätte ein Stück Sozialerziehung geleistet.

(wird fortgesetzt)

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