Sonntagsspaziergang

Heute Morgen, als ich unter der Dusche stand, sang Johnny Cash „On a Sunday Morning sidewalk“.

Heute ist Sonntag und wir waren auch auf einem Spaziergang und es kamen ebenfalls Gedanken, wie bei Johnny.

Im Städtchen haben wieder die sonntäglichen Morgenkonzerte angefangen. Heute gibt es Gypsy – Musik unter anderem von Django Reinhard. Früher nannte man das Zigeuner Swing. Neben Django hörte ich gerne Schnuckenack Reinhard und Hänsche Weiß.

Da man heute nicht mehr das Wort „Zigeuner“ aussprechen darf, nennt man es „Gypsy“, das heißt auch Zigeuner, aber man sagt es nicht mehr. Ich warte darauf, wann ich das erste Mal auf einer Speisekarte Gypsyschnitzel oder, noch besser, Sinti und Roma – Schnitzel finde. Aber vielleicht dauert das noch und ich bin dann schon im Seniorendepot, sorry ich meine natürlich Seniorenwohnresidenzpark.

Deutschland im Frühling 2019!

Am Anfang meiner Berufslaufbahn beschäftigte ich mich mit Spielmöglichkeiten für Kinder in der Stadt. Die Spielplätze, die wir bauten, sollten veränderbar sein, damit die Kinder selbst etwas schaffen konnten. Zu diesem Zweck waren auf unseren Plätzen mobile Teile wie Bretter, Klötze usw. Wir organisierten auch sogenannte Spielaktionen, bei denen wir Dinge, die wir beim Sperrmüll gesammelt hatten, auf die Spielplätze karrten. Da gab es alte Waschmaschinen, Schreibmaschinen, Küchengeräte, Bretter, Tische, Stoffe … . Aus all dem konnte etwas gebaut werden. Es war die Idee, die hinter den Abenteuerspielplätzen steckt, die es heute vereinzelt noch gibt.

Auf den herkömmlichen Spielplätzen können Kinder nicht mehr als die Affen im Zoo auch, nämlich hinauf – und hinunterklettern und hin und her schaukeln.

Früher gab es in Städten viele ungenutzte Flächen, also Brachen, die unbebaut waren. Das waren die Spielplätze meiner Kindheit. Da wurde Feuer gemacht und Fußball gespielt und die erste Zigarette geraucht.

Heute gibt es das nicht mehr, da alles kommerziell genutzt wird. Jeder Quadratmeter ist gestaltet und wenn es nur Grünflächen sind. Es soll alles „schön“ sein. Etwas nicht Gestaltetes, Wildes, am Ende noch mit „Unkraut“ Bepflanztes ist nicht schön. Allerdings fänden die Insekten wie zum Beispiel die Bienen da noch Nahrung. In den Blütenkelchen der domestizierten Blumen, bei den „Schönen“ also, ist das oft nicht mehr der Fall.

Aber vielleicht brauchen das Kinder heutzutage gar nicht mehr, weil sie vor dem PC in ihrer Sekundärwelt leben.

Zwischenruf: Meine Frau informiert mich gerade, dass im Fernsehen heute Abend eine Sendung über „Busbabes“ kommt. Sie wissen nicht, was das ist? Noch nie was von Truckerbabes gehört? Ich sehe jeden Morgen bei uns ein Busbabe. Allerdings nannte ich es bisher Schulbusfahrerin.

Zurück zum Thema: Im Nachbardorf soll jetzt eine Dorferneuerung gestartet werden. Unser Dorf soll schöner werden. Vor allem vor dem Tennisheim, das jetzt Dorfhaus heißt, soll der Platz gestaltet werden. Jetzt ist das noch ungenutzte Fläche, auf der bisher das Sonnwendfeuer angezündet wurde und die öffentliche Walze zum Einwalzen der Saat auf den Äckern lagert. Es wächst dort allerhand, aber ungeordnet. Ich befürchte das Schlimmste, wenn dieser Platz jetzt gestaltet wird. Wahrscheinlich wird es eine Grünfläche mit Tulpen und einer Bank, auf der nie jemand sitzt. Im weiteren Verlauf unseres Spaziergangs kommen wir am letzten alten Haus des Dorfes vorbei. Niemand wohnt mehr darin. Wir finden es wunderschön. Darum herum ist ein Stück ungemähte Wiese und ein kleiner verwilderter Garten, in dem alles Mögliche wächst.

Höchste Zeit, dass das gestaltet wird und ein ordentliches Aussehen erhält!

Die Gunas bewegen sich unaufhörlich. Der Wandel ist permanent und das Wesen der Welt. Wenn man sich das immer wieder vor Augen hält, wird die eigene Machtlosigkeit deutlich und zwingt, ob man will oder nicht, zu yogischer Distanz. Das bedeutet nicht, dass keine Gedanken kommen, auch Gedanken der Wehmut oder des Zorns. Vermeiden lässt sich das eh nicht, auch nicht nach Jahrzehnten der Meditation und des philosophischen Studiums.

Wohl aber ist es möglich, die Dinge nach einiger Reflexion in die richtige Perspektive zu rücken und sich nicht überrollen zu lassen.

Han-Shan springt wie ein Narr in der Klosterküche herum und schmeißt Töpfe und Pfannen um.

Es ist das kosmische Gelächter über die Verrücktheit der Materie.

 

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