Das Weltbild des Yoga Teil 2

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Was aber hat es mit den farbigen Schleiern auf sich? Woraus bestehen sie? Was ist ihr Wesen? Wir  wollen uns jetzt das andere Grundprinzip anschauen.

Die Gunas – oder der Tanz der Schleier.

Die zweite Wesenheit ist Prakrti. Das heißt: das Zuerst-Gemachte.  Prakrti ist das, was wir als Schöpfung wahrnehmen. Man könnte auch Materie übersetzen. Sie ist in ständiger Bewegung, in immerwährendem Werden und Vergehen. In der indischen Mythologie ist dies sehr schön dargestellt in der Gestalt des Shiva Nataraja, des tanzenden Shiva. Shiva repäsentiert den göttlichen Aspekt des Vergehens und Neuentstehens. Als Nataraja durchtanzt er die Schöpfung, zerstört und erschafft fortwährend neu und bleibt selbst, ein ewiges Lächeln auf den Lippen, unberührt davon. Er symbolisiert  den Purusa, ewig, in sich selbst ruhend. Seine weibliche, tanzende Seite, Shakti, ist vergleichbar mit Prakrti. Sie ist in immerwährender Bewegung, dem Tanz des Erschaffens und Ersterbens. In diesem Bild ergänzen sich das männliche und weibliche Moment.

Ein anderes Beispiel verdeutlicht die Beziehung zwischen Purusa und Prakrti noch besser. Stell‘ dir vor, du sitzt in einem Kino und verfolgst gebannt das Geschehen auf der Leinwand. Du identifizierst dich mit den handelnden Personen, gehst mit ihnen durch Freud und Leid, und fühlst dich als Teil der Geschichte. Die Quelle des ganzen Geschehens jedoch ist die Projektionslampe, vor der der Film entlangläuft. Du bist dir ihrer nicht bewusst, weil du versunken bist in das Drama, das sich vor deinen Augen abspielt. Wenn die Projektorlampe allerdings nicht wäre, würde der ganze faszinierende „Tanz“ auf der Leinwand nicht stattfinden.

Was du da siehst, ist das Leben in all seiner Farbigkeit und mit den Höhen und Tiefen, dem Glück und dem Leid.

Wäre es nicht manchmal wünschenswert, das ganze Drama mit ein wenig Distanz betrachten zu können, sich seines Purusa, seines inneren, vollkommenen Menschen bewusst zu sein?

Ich sagte oben schon, dass es das Ziel des Yogas ist, sich seiner wahren, vollkommenen Natur bewusst zu werden. Dann hört alles Kämpfen, alles Rasen und Streben auf, weil es nichts mehr zu erstreben gibt.

Während es nun unzählige Purusas gibt, die zwar gleichartig aber nicht identisch sind, gibt es nur eine Prakrti.

Sie setzt sich zusammen aus drei verschiedenen Qualitäten. Diese drei Qualitäten sind in allem was existiert.

Die erste dieser Qualitäten ist Sattva, das Reine, das Klare, das Erkennende. Wenn du z.B. in einem Zustand von hoher Wahrnehmungsfähigkeit bist, vollkommen wunschlos ohne das ständige „ich will “ und „ich muss“. Du bist nicht träge oder müde, sondern hellwach, dann dominiert in diesem Moment das Sattva-Prinzip oder, wie die Yogis sagen, das Sattvaguna. Das Wort Guna bedeutet Schnur, Strick oder Faden. Wie in einem Seil drei Schnüre miteinander verdreht sind, so sind in jedem Existierenden auch die drei Gu&as oder Grundqualitäten vertreten.

Du kennst diese sattvischen Gemütszustände bestimmt auch. Du hast sie erlebt, wenn du etwas Schönes betrachtet hast und dir die darin liegende Vollkommenheit blitzartig klar wurde. Kein anderer Gedanke war in dieser Sekunde vorhanden. Nur reines Wahrnehmen und Erkennen. Vielleicht hast du auch schon erlebt, wie mitten in einem heißen Streit, in den du dich mit jemanden verrannt hattest, plötzlich eine innere Klarheit in dir hochstieg, die dir die ganze Relativität der umkämpften Positionen deutlich werden ließ, und nur noch Friede und Verstehen für alles um dich herum in dir war. Das ist Sattva.

(wird fortgesetzt)

Das Yoga Lehrbuch, G. Pflug bei Schirner 2004

 

 

 

 

 

 

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