Vegetarier und andere Menschen

Oznor
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Patanjali schreibt in den Yogasutren Kapitel 2, 31 über das sogenannte große Gelübde (mahāvratam). Es geht dabei um die Yamas, die ethischen Grundsätze des Yoga. Das erste der Yamas ist Ahimsa, die Abwesenheit von Gewalt. Dieses, und auch die anderen vier können unabhängig von Zeit, Ort oder Alter von allen Menschen praktiziert werden.

Das bedeutet aber nicht, dass die Yamas von allen gleich praktiziert werden können. Polizisten zum Beispiel, müssen ab und zu Gewalt anwenden, um ihre Aufgabe, den Schutz der Bevölkerung, erfüllen zu können. Das gleiche gilt für Soldaten. Das heißt, es hängt vom Dharma ab, wie strikt diese innere Haltung praktiziert werden kann. Vyasa erwähnt in seinem Kommentar auch die Fischer. Sie können Ahimsa praktizieren, ausgenommen gegenüber Fischen, weil das nun einmal ihr Beruf ist.

Von Buddha wird die Geschichte erzählt, dass er einmal in eine sehr hochgelegene Bergregion kam und bei einem Jünger einkehrte. Der Mann war Jäger und hatte nur Fleisch als Nahrung, da dort oben nichts wuchs. Verlegen offerierte er es dem Buddha, wissend, dass dieser gegen das Töten ist. Buddha bemerkte das und sagte: „Es ist nur Essen!“

Für einen Menschen, der das große Gelübde abgelegt hat, der dem Yoga sein Leben geweiht hat, ist die Sache klar. Er wird nie und unter keinen Umständen Gewalt anwenden, auch wenn es um die Verteidigung des eigenen Lebens gehen sollte. Sinngemäß gilt diese absolute Konsequenz auch für die anderen Yamas. In seinen Augen ist alles Materielle zweitrangig, ergo auch der eigene Körper, der sowieso nur ein „Kleid“ für den Geist ist und nach dem Dahinscheiden wieder eine andere Form annimmt.

Wir sehen, dass es immer auf die Lebensumstände ankommt und auf manches Andere auch.

Wir haben heute in unserer Gesellschaft etliche Strömungen, die eine spezielle Ernährung propagieren. Es herrscht auch ein gewisser Wettbewerb, wer ethisch an der Spitze steht. Das nehmen die Veganer für sich in Anspruch.

Sie lehnen alle tierischen Produkte ab. Das mag im persönlichen Bereich möglich sein, aber im Großen ist es nicht praktikabel. Landwirtschaft ohne Tierhaltung ist nicht möglich! Selbst wenn auf tierische Düngung verzichtet wird, muss die Zwischenfrucht aus Leguminosen, also in der Regel Kleesorten, bestehen, um Stickstoff in den Boden zu bekommen. Die wiederum dienen als Viehfutter. Man kann es nicht einfach wegwerfen.

In einer veganen Welt gäbe es keine Kühe, keine Schafe, keine Ziegen. Die Welt wäre arm! Die Kosten für eine Kuh, d.h. für den Kauf, das Futter, die Aufzucht und die Schlachtung belaufen sich auf ca. 4000 € pro Jahr. Das muss über Milchprodukte und Fleisch wieder rein kommen.

Ich habe im Lauf der Zeit verschiedene Male biodynamischen Gartenbau nach Rudolf Steiner betrieben. Dazu bedarf es sogenannter Präparate, zum Beispiel Hornmist. Das ist Kuhmist, der in ein Kuhhorn gefüllt wird und in einer bestimmten Mondphase für einige Monate in die Erde eingegraben wird, um dann in einer gewissen Potenz in die Gartenerde eingebracht zu werden, um die kosmischen Kräfte in die Pflanze zu bringen.

Ohne Kuh kein Horn!

Die Zusammenhänge sind sehr komplex und man kann nicht einfach sagen: „Hört auf, Fleisch zu essen.“ Wir haben in unseren Breiten ein sehr hoch entwickeltes Bewusstsein Tieren gegenüber und es wird ständig weiterentwickelt, was die Haltung anbelangt. Natürlich wäre es schön, wenn alle Schweine und Kühe ihr Leben auf saftigen Wiesen verbringen könnten, aber das ist nicht möglich.

Auch eine ausschließlich biologische Landwirtschaft ist illusorisch. Bei jedem Spaziergang sehe ich, dass der Ertrag der Biolandwirte nur halb so hoch ist wie bei den anderen. Das reicht nicht!

 

Nun haben sich über die Jahrtausende hinweg bestimmte Lebensformen und damit auch Ernährungsarten entwickelt und das nicht von ungefähr.

Wenn ich in Südindien bin, esse ich einen Tali, bestehend aus Dal und Reis. Schon die Nordinder haben eine reichhaltigere Küche, weil es einfach kälter ist. Für andere Weltregionen gilt Entsprechendes.

Ich halte es für keine gute Entwicklung, dass die Fleischersatzprodukte, vorwiegend auf Sojabasis mit allen möglichen Zusatzstoffen, über Tausende von Kilometern her transportiert, als Non plus Ultra dargestellt werden.

Wer das für sich so handhaben möchte, soll das gerne tun.

Für mich ist die gegenseitige Toleranz wichtig. Das ist Kernpunkt von Spiritualität wie ich sie verstehe.

Leider entwickelt sich auch hier Intoleranz, ähnlich wie in Politik und Gesellschaft. Anstatt zusammenzuwachsen, driften wir immer weiter auseinander, weil jeder glaubt, recht zu haben.

 

 

 

 

 

 

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