Wer Ohren hat…

1453832356267 (1)…der höre.

Ich möchte gerne eine kleine Episode, die ich gestern erlebt habe, mit Ihnen teilen.

Ich habe seit Jahrzehnten einen spirituellen Ort, den ich gerne aufsuche. Es ist ein Bergplateau im fränkischen Jura, von dem man einen weiten Blick hinaus ins Land hat. Oben wächst Magerrasen und die Vegetation ist reich an Moosen, Flechten und kleinen Blümchen. Am meisten mag ich den Wind. Gestern war er lau und schmeichelnd. Manchmal bläst er scharf und kalt und man muss sich gegen ihn stemmen.

Im Idealfall bin ich alleine dort oben. Manchmal sind noch ein paar Leute da, aber das verläuft sich.

Gestern nun war ich wieder einmal oben. Die Luft war warm und hatte diesen besonderen Schimmer, den nur der Frühherbst bietet.

Am Rand des Plateaus stehen zwei verwitterte Bänke und eine davon ist „für mich“. Ein paar Meter unterhalb hat irgendwer eine weitere Bank aufgestellt und darauf saß gestern ein Mann, der sein auf Lautsprecher gestelltes Handy auf den Knien hatte und in eine ungenierte Unterhaltung mit einer Frau vertieft war. Ich erfuhr, dass sie gerade bei Aldi war, dass sie keine Marienkäfer mag und ähnlich Interessantes.

Ich war nicht direkt ärgerlich, aber ich dachte mir schon mein Teil bezüglich Belästigung durch Handys in freier Natur.

Gleichwohl blieb ich auf meiner Lieblingsbank sitzen, aber ganz ungetrübt war die Stimmung nicht. Schließlich stand ich auf und ging zu einem kleinen Blechkasten, der dort aufgestellt war und mit kleinen Traktaten einer christlichen Organisation gefüllt war.

Das gehört bei meinen Besuchen zum Ritual. Ich griff hinein und war gespannt, was auf mich wartete .

Ich las eine Epistel über den Umgang mit Menschen, deren Verhalten uns stört. Ich las, dass es auch Kinder Gottes sind, die man lieben und ehren solle, auch wenn sie sich nicht unseren Vorstellungen gemäß verhalten.

Normalerweise sagen Menschen in so einer Situation: „Na, wenn das kein Zufall ist“, und meinen damit gerade das Gegenteil.

Ich glaube, dass das kein Zufall war. Ich habe einen Hinweis bekommen, in welche Richtung ich zu gehen habe.

Es gibt viele solche Hinweise und Signale – wenn wir sie denn hören (wollen).

Jede Situation, jedes Ereignis in unserem Leben hat eine inhärente Botschaft, denn warum sollten wir sie sonst erleben? Die äußeren Geschehnisse sind die Lernbausteine für das, was wirklich der „Sinn des Lebens“ ist, die Erkenntnis der absoluten Realität.

Jeder Moment ist, wenn wir es wollen, ein Dialog mit Gott oder wie immer wir die höhere Realität auch nennen.

Zurück zum Berg. Nach dem Lesen ging es mir sofort sehr gut. Ich sah den Mann mit anderen Augen. Jede Spur von Groll war weg und ich erlebte „auf meinem Berg“ das, warum ich sechzig Kilometer hergefahren war.

Ich ging hundert Meter weiter, das heißt übersetzt, ich verließ meinen eingefahrenen Standpunkt und die Welt sah viel heller aus.

Die Taoisten haben als Symbol für ihre Lehre das Wasser. Es fließt! Wo es auf Widerstand trifft, fließt es woanders hin, mühelos. Ändert es durch sein Ausweichen seine Substanz? Nein, es bleibt Wasser.

Auch wir würden uns durch Hinhören und einen anderen Standpunkt einnehmen nichts verschenken. Doch wir denken, Nachgeben ist Schwäche usw.

Ich hätte natürlich den Mann auch ansprechen können und ihm einen Vortrag über Rücksicht auf Andere in der Natur halten können, aber ich bin mir sehr sicher, dass es mir damit nicht besser gegangen wäre.

 

 

 

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