Auf dem Weg

Wir Menschen haben ein tiefes Bedürfnis, glücklich zu sein. All unser Tun, besteht aus Versuchen, dies zu verwirklichen. Diese tiefe Sehnsucht verlässt uns nie und begleitet uns bis aufs Sterbebett. Sie kleidet sich in die verschiedensten Gewänder und äußert sich zum Beispiel im Streben nach Besitz, Stärke, Schönheit, Macht usw. Schau‘ mal genau hin, welche Gefühle du hast, wenn du dir ein neues Auto gekauft hast, schnittiger und mit ein paar PS mehr, als dein altes. Es ist doch toll, wenn du die anderen auf der Autobahn hinter dir lassen kannst oder wenn sich die Leute beim einparken danach umdrehen. Du fühlst sich stark und überlegen. Genauso ist es, wenn du ein neues Kleid trägst. Du ziehst es zum ersten mal an und gehst damit durch ein Lokal. Wenn du bewundernde Blicke registrierst fühlst du dich so richtig gut.

Manchmal geht diese Sehnsucht nach Glück sehr verschlungene Wege. Seit einigen Jahren gibt es zum Beispiel diesen Dominakult. Da gehen Männer zu diesen Frauen, um sich zu unterwerfen und um sich demütigen zu lassen. Hier finden unerledigte psychische Strukturen Befriedigung, die bis in die frühesten Lebensphasen zurückgehen,. Wenn du dich umblickst, wirst du noch viele seltsame Verhaltensweisen wahrnehmen die zum Glück führen sollen. Natürlich kannst du dich auch selbst in die Beobachtung miteinbeziehen. Wir funktionieren nach inneren Strukturen, die wir von frühester Kindheit an erworben haben. Diese Strukturen oder Mechanismen sind Überlebenstechniken für uns. Wir haben irgendwann gelernt, dass wir damit Erfolg haben. Folglich behalten wir sie bei. Nach dem Motto: „Never change a winning team“. Wenn ein Kind zum Beispiel die Erfahrung gemacht hat, dass es bekommt was es will wenn es auf den Boden stampft und dabei aus Leibeskräften brüllt, dann wird es dieses Verhalten solange beibehalten, bis es damit keinen Erfolg mehr hat. Das sind dann die schreienden, jähzornigen Zeitgenossen, mit denen nicht leicht umzugehen ist. Bleiben wir einmal bei diesem Beispiel. Natürlich wird so ein Mensch immer wieder mal in Situationen kommen, in denen sein Lösungsmuster nicht oder nur mit größter Anstrengungen funktioniert. Angenommen er verliebt sich in einen Menschen mit ausgeprägter eigener Meinung. Da wird er dann manchmal sehr lange „stampfen“ müssen, um sein Ziel zu erreichen. Öfters wird es überhaupt nicht gelingen. Dann fühlt er sich unglücklich und verzweifelt. Wenn man das Ganze als Außenstehender beobachtet, ist man oft versucht, einzugreifen und zu raten, das Problem anders anzugehen, weil man sieht, dass derjenige, der das Problem hat, inadäquat und selbstzerstörerisch handelt. Meist aber ist der Mensch nicht in der Lage, sein Verhalten zu ändern, weil diese inneren Muster ein starkes Beharrungsvermögen haben und nicht leicht zu ändern sind. Verhaltensänderungen verlangen Zeit und Arbeit an sich selbst. Zuerst dauert es ja schon lange, bis man die Notwendigkeit einer Veränderung akzeptiert. Dann geht es darum, Alternativen zu entwickeln. Das beginnt zunächst auf der Verstandesebene, ist aber nicht ausreichend. Du hast sicher selbst schon die Erfahrung gemacht, dass du zwar genau weißt, wie du handeln müsstest, es aber nicht tust, weil sich die alte Verhaltensweise vertraut und damit gut anfühlt, trotzdem sie schmerzhaft geworden ist. Manchmal ist es, als wenn es uns innerlich zerreißen würde. Intellektuell sehen wir die Verhaltensalternativen. Es ist, als wenn ein kurzer Lichtstrahl in das dumpfe, düstere Brodeln in unserer Brust eindringt und für eine Sekunde den Atem weit werden lässt. Wir verspüren einen kurzen Energieimpuls und fallen im Bewusstsein der eigenen, oft erlebten Schwäche zurück in die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung. Aber nicht ganz! Wenn du zum Beispiel diese Zeilen ließt, dann ist das ein Zeichen dafür, dass du auf der Suche nach deiner eigenen Reife bist, sonst wäre es amüsanter, einen Krimi zu lesen.

Entsprechend deinem Karma wird deine Suche mehr oder weniger intensiv sein. Wenn du dich umsiehst, dann wirst du verschiedene Typen von Suchern wahrnehmen, die auf vielen verschiedenen Wegen unterwegs sind. Keiner ist besser oder schlechter, nur anders.

Gib dir Zeit und gehe gut mit dir um. Verurteile dich nicht, wenn du scheinbar versagst und denke daran, dass auch die ungeliebten Seiten zu dir gehören und vielleicht sind es gerade die, die dich zur Suche animieren.

Auszug aus „Das Yogalehrbuch“ Gerhard Pflug, Schierner Verlag 2004

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