Virtuelles Wasser

Ich war die letzten Jahrzehnte ein großer Wassersparer weil mir klar war, dass sauberes Wasser nicht beliebig ersetzbar ist. Mit meinen Schülerinnen, die später Erzieherinnen sein sollten, führte ich Versuche durch, indem wir Schmutzwasser durch einen selbstgebauten Filter mit Sand, Kieseln und Kohle leiteten. So konnte man sehen, wie aufwändig Wassergewinnung ist.
Beim Duschen, so lehrte ich es meine Kinder, macht man sich nass, schaltet das Wasser ab, seift sich ein und schaltet das Wasser wieder ein, um sich abzuspülen. Zudem habe ich festgestellt, dass Duschlotion wesentlich mehr Wasser zum runterspülen erfordert als Seife. Also nehme ich in der Regel Seife. Händewaschen geht auch mit kaltem Wasser. Hände sind sowieso immer draußen, die sind abgehärtet. Auch da gilt das selbe Verhalten wie beim Duschen.
Man sollte sich auch überlegen, ob man wirklich heißes Wasser braucht, denn wenn man gedankenlos den Warmwasserhahn aufdreht, dann läuft in den Boiler kaltes Wasser zu und setzt die Warmwassertemperatur herab. Die Folge ist, dass sich der Brenner öfters einschalten muss, um die Temperatur zu halten, was zu erhöhtem Ölverbrauch führt.
Dass ich für die Blumen und Büsche im Hof Regenwasser verwende ist sowieso selbstverständlich.
So war ich sicher, meinen Beitrag zum sparsamen Verbrauch der begrenzten Ressource Wasser zu leisten. Seit kurzem allerdings gibt es den Begriff „virtuelles Wasser“. Dabei handelt es sich um folgendes: Jedes Produkt, sei es jetzt aus dem Food – oder Nonfoodbereich braucht zu seiner Herstellung Wasser, Baumwollhemden zum Beispiel. Baumwolle muss angebaut werden, dann erfordert der ganze Prozess ihrer Manufaktur eine nicht unerhebliche Menge an Wasser. Somit, und darauf läuft es hinaus, trage ich eine Mitverantwortung für den Wasserverbrauch in Usbekistan weil ich Baumwollhemden trage. Ich kann hinschauen wo ich will. Seien es jetzt Schuhe, gerben ist ja wie jeder weiß, sehr Wasserintensiv, oder Papierherstellung, oder Farbenherstellung. Es ist immer dasselbe. Dies betrifft natürlich auch den Gemüseanbau oder Obstkulturen. Ganz schlimm ist es für Fleischesser. Denn ein Steak, so wurde kürzlich in einem Bericht auf Arte gezeigt, erfordert 40 000 l Wasser, denn so ein Rind braucht viel zu trinken und die Herstellung seiner Getreide – und Sojanahrung ist auch sehr Wasserintensiv.

Was mache ich nun? Mustere ich nun die Schuhe aus für die Zukunft? Oder flechte ich mir meine Oberbekleidung aus gesammelten Gräsern anstatt der Woll – und Baumwollkleidung?
Als Yogatreibender ist es selbstverständlich, dass man bewusst mit seinen Bedürfnissen umgeht. Wenn ich meine Garderobe zusammen habe, dann kaufe ich nichts, weil ich es nicht brauche. Die Einrichtung in unserem Haus ist gemütlich obwohl sie Jahrzehnte alt ist, aber wir dächten im Traum nicht daran, was Neues zu kaufen, bloß weil es modern ist oder gar „in“.
Das sind Dinge, die ich steuern kann, für die ich Verantwortung übernehmen kann. Wie aber soll ich Verantwortung für virtuelles Wasser übernehmen? Einmal sehe ich keine Möglichkeit, auf Kleidung, Schuhe, Lebensmittel usw. zu verzichten, andererseits würde ein Boykott so und so viele Existenzen in Gefahr bringen.

Meiner Meinung nach wird hier einmal mehr versucht, dem Bürger Verantwortung aufzubürden, die er nicht tragen kann, weil ihm die Einflussmöglichkeiten fehlen. Wie schon gesagt, verantwortungsvoller Umgang mit Bedürfnissen ist vorausgesetzt.

Jeder Mensch hat eine bestimmte Verantwortungskapazität. Manche mehr, manche weniger. Das muss jeder für sich herausfinden und ist dann auch eine Frage der eigenen Entscheidung und nicht etwas, was von außen aufgezwungen werden sollte, sonst besteht die Gefahr, dass man gleichgültig oder auch ärgerlich wird. „Was denn noch alles?“ Von den Eisbären bis zu den Erdbebenopfern in Peru oder Chile, alles wird an uns herangetragen. Das schafft die Psyche nicht und schützt sich durch Abblocken oder Gleichgültigkeit.

Vor zwei Jahren hat man den ehemaligen Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin heftig angegriffen, weil er Harz IV Empfängern empfohlen hat, einen warmen Pullover anzuziehen, anstatt die Heizung hoch zu drehen. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter und würde diese Vorgehensweise uns allen empfehlen. Bei uns gibt es seit Jahrzehnten die „Pulloverzeit“. Das ist so um den Oktober und dann wieder im April herum, wenn es noch oder schon wieder warm ist, sodass es sich nicht lohnt, den ganzen Tag zu heizen.
Wo aber geht die Tendenz hin? Es soll genau so weitergemacht werden wie bisher. Das heißt, es besteht der Anspruch, dass man sich ganzjährig im Unterhemd in einem komplett geheizten Haus aufhalten kann. Dazu wird vorgeschlagen, neue Fenster einzubauen, das ganze Haus komplett zu isolieren, eine Wärmepumpe zu installieren und das Dach mit einer Photovoltaikanlage zu versehen. Das Ganze würde rund 140 000 € kosten. Um das zu finanzieren, muss man einen Kredit aufnehmen und sich auf Jahre verschulden. In 20 Jahren hat es sich dann amortisiert, wie man so schön sagt.
Dabei vergisst man, dass auch diese Baumaßnahmen einen ungeheueren Verbrauch an Ressourcen bedeuten, wenn ich nur an die Mengen an Isoliermaterial denke.
Ich denke, dass es für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und für die Schonung der Umwelt sinnvoller wäre, sich zu beschränken und seine Bedürfnisse zu reflektieren, als einen Standart aufrecht erhalten zu wollen, der letztlich doch in immer größerem Verbrauch endet. Das wäre auch im Yogasinn und für unseren Planeten zuträglicher.

G.Pflug
April 2010

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