Wie ein Schmetterling

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In den letzten drei Artikeln über das Weltbild des Yoga habe ich beschrieben, wie die materielle Welt aufgemacht ist. Die Samkhya-Philosophie (Samkhya bedeutete Zahl) nennt verschiedene Ebenen der Materie:

Angefangen bei der grobstofflichen, also der, die mit den Sinnen erfassbar ist, bis zur feinsten, der kosmischen Intelligenz (Mahat oder Buddhi), die das Ichbewusstsein (Ahamkara) bildet.

Aber selbst dieses Feinste basiert auf den drei Gunas.

Als weltliche Menschen sind wir mehr oder weniger in der sinnlichen Welt gefangen. Die meisten von uns sind Reiz-Reaktionswesen, die auf entsprechende Sinnesreize von außen reagieren.

In seltenen Momenten sind wir auf der Sattva-Ebene. Meistens pendeln wir zwischen Rajas und Tamas.

Wenn wir jetzt einmal versuchen, auf unser Leben zurückzublicken, dann wird uns vielleicht auffallen, dass sich bestimmte Situationen immer wiederholen.

Unser Konfliktverhalten zum Beispiel scheint immer nach denselben Mustern zu verlaufen:

Die einen schreien, die anderen brauchen ein paar Schnäpse, um sich zu beruhigen. Manche ziehen sich tief verletzt zurück und brauchen Zeit, um aus ihrer Höhle herauszukommen. Wieder andere reagieren vollkommen ruhig und überlegt, als wenn das für sie kein Problem wäre.

Oder nehmen wir den ganzen Bereich des Suchtverhaltens. Da gibt es welche, denen kann man eine Kiste voller Süßigkeiten hinstellen, die werden sich eine Praline herauspicken und ihres Weges gehen, während sich andere nicht bremsen können. Dafür können die nicht an einer angebotenen Zigarette vorbei gehen.

Die westliche Psychologie erklärt unser Verhalten mit frühkindlichen Erfahrungen, die zu bestimmten Verhaltensstrukturen führen, die mehr oder weniger neurotisch sind. Ich habe schon oft darüber geschrieben.

Yoga hat einen anderen Ansatz, der mit Lebenssinn und Lebenszielen zusammenhängt.

Es gibt ja die große Frage nach dem Sinn des Lebens.

Wenn man eine Reihe von Jahrzehnten hinter sich hat, dann kommen irgendwann Momente, in denen man recht klar erkennt, dass man alles schon gesehen hat, dass man alles schon kennt und dass man alles schon hat.

Bei Vielen geht dann eine verzweifelte Suche nach neuen Reizen an. Die einen wollen es „nochmal wissen“ (was auch immer), die anderen können sich nicht mit ihrem Aussehen abfinden und lassen sich liften oder stopfen irgendwelche Körperpartien aus.

Andere schlucken Viagra oder Hormone, um alte Zeiten im Bett wieder zu erleben.

Das alles ist ziemlich tragisch, weil völlig sinnlos. Irgendwann ist Ende – Gelände!

Das Leben an sich ist ohne Zweck. Es ist einfach. Es findet statt in ewigem Wandel und in ewigem Gleichmaß zugleich. Wir sind ein Teil. Wir erscheinen in diesem großen Prozess wie Sternschnuppen, die, kaum sichtbar, auch schon wieder verglühen.

Es ist vollkommen unsinnig, eine Sternschnuppe festhalten zu wollen. Kein Mensch käme auf so eine Idee und trotzdem versuchen wir, mit aller Kraft an Dingen festzuhalten, obwohl dies dem Prinzip des Lebens widerspricht.

An dieser Stelle kehren wir zu der Frage zurück, warum der eine sich so verhält und dem anderen dies passiert.

Wer das Prinzip Leben verstanden hat, weiß, dass es von Anfang an darum geht, Abschied zu nehmen. Gleichsam wie ein Schmetterling, der von Blüte zu Blüte fliegt und nie zurückblickt oder sich gar Notizen macht, welche Blüte denn am besten war.

Ich habe oben die Frage aufgeworfen, warum wir uns immer wieder in den gleichen Situationen mit dem gleichen Verhalten wiederfinden.

Die Antwort ist: Weil sich die Gunas entsprechend unserer Struktur und dem, was wir zu lernen haben, entsprechend gruppieren.

Wenn einer also bei jedem Konflikt gleich ausflippt, dann wiederholt sich das so lange, bis er gelernt hat, dass sich das alles nur auf einer Theaterbühne abspielt und das nur eine Szene in einem Stück ist.

Am nächsten Tag erkennt er das meistens sowieso.

Die Yogis sagen, unser Karma steuert die Gunas, die sich so gruppieren, dass wir das, was wir zu bearbeiten haben, erkennen und daraus lernen und letztlich frei wie ein Schmetterling durchs Leben flattern.

Das beantwortet auch die Frage, was wir denn schon tun können angesichts der Weltprobleme?

Alle Menschen, die einen Schmetterling sehen, freuen sich!

Das wäre es doch!?

 

 

 

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