Das Kleine und die Dankbarkeit

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Ich habe früher schon darüber geschrieben, dass der große Immanuel Kant seine Heimatstadt Königsberg nie verlassen hat und jeden Tag zur gleichen Zeit den gleichen Spaziergang unternahm. „Wie langweilig!“, würde man heute sagen.

Eigentlich kann das aber nicht stimmen, denn ein Langweiler war Kant sicher nicht, denn es ist auch von ihm bekannt, dass er gerne gut aß, sogar seinen eigenen Senf herstellte und gerne in Gesellschaft tafelte.

 

Ich glaube, dass er sich durch diese Gewohnheit eine Welt erschloss, die den meisten verborgen bleibt.

Ich habe im Laufe meines Lebens sehr viel von der Welt gesehen. Die Neugier hat mich auch jetzt nicht verlassen. Eines jedoch hat sich im Lauf der Jahre verändert:

Es drängt mich weniger stark nach Abwechslung. Als Naturliebhaber ist wandern und Fahrrad fahren Teil meines Lebens. Aber anstatt immer wieder andere Wanderrouten auszuprobieren, zieht es mich täglich zur selben Strecke und – es ist nie langweilig! Ich habe im Gegenteil das Gefühl, dass ich immer mehr entdecke. Nie ist irgendetwas gleich. Es sei denn, man rennt acht-los durch die Gegend.

In allen spirituellen Traditionen ist Achtsamkeit der Schlüssel zur Sadhana. Meditation ist nichts anderes als achtsames Lauschen.

Meditation kann alles sein. Natürlich mag es leichter fallen, sich in einen stillen Raum zurückzuziehen und bewegungslos sitzend dem Atem zu lauschen.

Es kann aber auch jede andere Aktivität sein, die in einem immer gleichen Rahmen und Zeitmaß abläuft.

Bekannt dafür sind die asiatischen Teezeremonien. Hier wird das Teetrinken zur Meditation.

Beim Gehen der selben Strecke bietet sich scheinbar der immer gleiche Anblick. Das Gegenteil aber ist der Fall. Je bewusster der Blick, desto tiefer geht er. Wenn man sich darauf einlässt, dann kann man das, was von den Weisen gesagt wird, nämlich, dass man einen Platz nicht verlassen muss, um die Welt zu erfahren, erkennen. Vielmehr erschließt sie sich aus dem Kleinen heraus.

Dieses Wahrnehmen des Kleinen korrespondiert auch mit dem jeweiligen inneren Zustand des Betrachters, sodass ein immer anderer Dialog entsteht, der zu immer verschiedenen Einsichten führt.

Wir haben auf diese Weise die Chance, die Wunder der ganzen Welt im Blütenkelch eines Buschwindröschens zu entdecken. Und manchmal erleben wir dann Augenblicke des reinsten Glücks.

In solchen Momenten entsteht ein tiefes Gefühl der Dankbarkeit, was zu einer tieferen Verbundenheit mit dem Universum führt.

Achtlosigkeit ist zu Dankbarkeit nicht fähig!

Dankbarkeit ist im Gegenteil eine Einstellung. Sie nimmt nichts als selbstverständlich.

Die Selbstverständlichkeit ist der Feind jeder Achtsamkeit!

Durch die Wahrnehmung des Großen im Kleinen erleben wir Momente des inneren Friedens und der Verbundenheit mit dem großen Ganzen, was zu einer Lebenshaltung des Dankes führt.

Diese Dankbarkeitslebenshaltung öffnet die Wahrnehmung immer mehr und immer wieder zu den Wundern, die uns umgeben und die wir in der Regel überhaupt nicht wahrnehmen. Deswegen rennen wir von hier nach da und suchen den Kick, und dann den nächsten und so fort.

Es ist eine Jagd, die im Nirgendwo endet. Irgendwann ist die Grenze des „sich Zuführens“ erreicht. Jedes High verlangt nach mehr. Jeder Junkie weiß das.

Am Ende steht der Tod des Fühlens, des Erlebens und des Glücks.

 

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