Sehen wir, wie die Geschichte von Svetaketu weitergeht.
Es ist das Anliegen des Vaters, dem Sohn zu zeigen, dass hinter der Vielfalt der Erscheinungen ein Urgrund existiert, der völlig verschieden von dem ist, was er hervorbringt und der doch in allem ist. Dies macht er anhand von verschiedenen Beispielen deutlich.
„ Mein Lieber, wenn jemand diesen großen Baum an der Wurzel verwundet, dann wird er lebend (sein Harz) vergießen; wenn man ihn in der Mitte oder im Wipfel verwundet, dann wird er lebend (sein Harz) vergießen; doch mit seinem Leben selbst (atman) weiter fort wachsend hat er fröhlich strotzend Bestand. Wenn aber das Leben einen Zweig verlässt, dann verdorrt der; wenn es den ganzen Baum verlässt, dann verdorrt der ganze Baum. Das wisse mein Lieber. So sprach er. Was vom Leben verlassen wird, so heißt es, das stirbt – nicht aber stirbt das Leben. Das feinste aber, das Ureigenste (atmya), das ist das All, das ist die Wahrheit, das ist der Atman, das bist du (tat tvam asi), Svetaketu. – Belehrt mich weiter, Herr! – So sei es, mein Lieber. So sprach er.“
Wir können in diesem Beispiel den Begriff Atman der Einfachheit halber mit Seele gleichsetzen. Und doch gibt es einen Unterschied. Atman, die Seele eines Lebewesens ist Teil von Brahman, der Allseele. Wie jeder Tropfen Wasser letztlich zum Meer zurückkehrt, so kehrt jeder Atman zum Brahman zurück. Wenn wir dieses Bild weiterspinnen, dann ergibt sich, dass jeder Tropfen immer und überall ein Teil des Ozeans ist.
Ebenso wie das Leben des Baumes nicht greifbar ist, ist auch der Atman nicht greifbar, wiewohl beides vorhanden ist. Die Anwesenheit von beidem wird erst „sichtbar“, wenn es nicht mehr anwesend ist. Natürlich ist das ein Paradoxon, aber anders kann ich es nicht beschreiben.
Noch ein weiteres Beispiel: „ Schütte dieses Salz hier in Wasser und melde dich damit morgen früh bei mir. – Er tat, wie ihm geheißen. – Und er sprach zu ihm: Das Salz, das du gestern Abend in das Wasser geschüttet hast, bring mir das. – Er tastete danach, aber er fand es nicht. – Da es ja nun aufgelöst ist, koste mal von oben davon… Wie ist es? – Salzig. – Koste von der Mitte… Wie ist es? – Salzig. – Koste vom Grund… Wie ist es? – Salzig. – Streu noch etwas dazu und melde dich dann bei mir. – Er tat, wie ihm geheißen: Es bleibt immerzu salzig! – Er sprach zu ihm: Mein Lieber, das Seiende hier, so heißt es, siehst du nicht – doch es ist hier. Das Feinste aber, dieses Ureigenste, das ist das All, das ist die Wahrheit, das ist der Atman, das bist du, Svetaketu.“
Das Salz bestimmt das Wesen des Wasser wie zu schmecken ist, obwohl es nicht zu greifen ist. Genauso verhält es sich mit der individuellen Seele zur universellen Seele. Genauso wie der Wassertropfen immer Teil des Ozeans ist, ist auch Atman immer Teil des Brahman. Auch wenn es nicht zu greifen ist, so bestimmt die Seelennatur den Charakter des Alls und das wiederum ist nicht verschieden von der Seele.