Tat Twam Asi – Das bist du Teil 2

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Aber es gibt einen Bereich der Schönheit, den wir bisher nicht angesprochen haben und der nie zu Ermüdung, Übersättigung und Langeweile führt, es ist die Schönheit des Denkens. Wenn wir darin Gefallen finden, gibt es keinerlei Nachteile, sondern nur Gewinn. Rekapitulieren wir kurz. Wir hatten gesagt, dass unser Bedürfnis nach Besitz auch zu unserer Identität beiträgt. Nun ist nicht zu verschweigen, dass das agieren auf dieser materiellen Ebene immer auch Folgen hat, die nicht so positiv zu betrachten sind. Erwerb, und sei es aus noch so verständlichen Gründen heraus, ist immer auch Konsum und damit Verbrauch von Ressourcen. Niemandem fällt offensichtlich auf, wenn wir in den Zeitungen von einem Wirtschaftswachstum von soundsoviel Prozent lesen, dass damit auch eine gewisse Ausbeutung unseres Planeten einhergeht. Es geht um Regenwälder, die in Jahrhunderten entstanden sind.

Es geht um die Tiere, die darin leben und deren Lebensraum unwiederbringlich verloren ist. Jeder, der ein gewisses Bewusstsein hat, sieht diese Folgen täglich. Ich brauche mich hier nicht in ungezählten Beispielen verlieren.

So wie wir uns Dinge aneignen, können wir uns auch Gedanken aneignen. Ich empfinde es als ausgesprochenen Genuss, wenn ich mich in philosophische Gedankengebäude einlese. Es erschließt sich immer wieder eine neue Welt für mich. Die Schönheit eines logischen Gedankenganges fasziniert mich  und lässt mich die Welt und damit natürlich auch meine Beziehung zu ihr in anderer Sicht erleben. Ich möchte dich, lieber Leser hier mit einer Literaturgattung bekannt machen, die häufig den  hier behandelten Gegenstand, nämlich unsere Identitätsfindung inmitten einer Welt des Wandels, zum Inhalt hat.

Es sind die Upanischaden des alten Indien. Upanisad bedeutet nahe sitzen. Es handelt sich um Unterweisungen, die ein Guru seinem Schüler zuteil werden lässt. Dabei sitzt der Letztere zu Füßen des Lehrers, daher der Name. Es geht dabei um die letzten Fragestellungen, mit denen sich der Mensch konfrontiert sieht. Was bin ich? Wer bin ich? Was ist der innerste Kern des Seins. Wohin gehe ich? Wie ist die Beziehung zwischen Gott, Welt und Mensch? Die Upanischaden enthalten Gedanken von bestechender Klarheit. Selbst wenn man einer anderen Philosophie anhängt, kann man sich der Schönheit der Beweisführung nicht entziehen. Denn, gleichgültig wie unser philosophisches oder religiöses Weltbild auch aussehen mag, es lohnt immer, sich andere Sichtweisen anzusehen und mit dem eigenen Standpunkt zu vergleichen. Das ist vergleichbar mit dem Sammeln von kostbaren Elfenbeinminitiaturen, nur das dieses Sammeln zu innerem Reichtum führt, der von Dauer ist und uns nie mehr verlässt. Wie gesagt, geht es uns bei unserem Erwerben von Dingen auch um ein sich zuhause machen in der Welt. Damit verbunden ist die Sehnsucht nach Dauer und Stabilität. Dinge aber vergehen, Gedanken nicht. Auch die Pyramiden werden eines Tages verschwunden sein, nicht aber die Mythen um Isis und Osiris, um bei diesem Vergleich in der gleichen Weltgegend zu bleiben.

Die ältesten Upanischaden entstanden um die Zeit 700 v. Ch..

Friedrich Schulz – Raffelt schreibt in „Die große Tradition: Quellentexte und Wege des Yoga“: „sruti – das sind die Veden mit den Upanischaden, die grundlegende, allgemeingültige, spirituelle Wahrheiten enthalten, die unabhängig von Kulturkreis, Zeit oder Ort gelten, frei von persönlichen Aussagen sind und frei von Handlungsanweisungen im Sinne von Geboten und Verboten. Die sruti enthalten Wissen von der Wirklichkeit, wie sie ist, daher besitzen diese ältesten Schriften in der indischen Tradition die höchste Autorität. Die Verfasser bleiben in der Regel unbekannt. Alle späteren Schriften, wenn sie als vollgültig angesehen werden wollen, müssen mit den Veden übereinstimmen, sie können die srutis interpretieren oder weiterentwickeln ( wie z.B. die Bhagavatgita und Patanjalis Sutras), dürfen ihnen jedoch nicht widersprechen.“

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