In Gottes Namen Teil IV

IMG_20161204_135652Wir kommen im letzten Teil dieser Betrachtungen auf das „Wie“. Neulich las ich eine nette Kinderfrage: „Papa, wenn Gott überall ist, warum müssen wir dann in die Kirche gehen?“

In seinem Buch „Return to the source“ sagt Lanza del Vasto, dass wir Menschen die Schönheit der Welt brauchen, um Gott zu sehen. Es ist schwierig für uns, ihn auch im Bösen und Hässlichen zu sehen.

Kirchen, Tempel und heilige Berge sind Orte, an denen sich Kräfte akkumulieren (können). Vielleicht schaffen die Tausende und Abertausende an Andachtsgefühlen ein Kraftfeld, das die Konzentration auf das Übersinnliche fördern? Auch sagt man, dass sich, ähnlich der Chakren, die die feinstoffliche Energie (Prana) durch den Körper leiten, auch über die Erde sogenannte Ley-Lines ziehen, an deren Kreuzungspunkten, den Kraftorten, sich Energie konzentriert.

Am intensivsten erlebte ich die „Kraft“ einmal in der Krypta einer uralten romanischen Kirche in Bordeaux. Ich spürte sofort: „Hier ist ,Es‘!“

In seinen beiden Büchern „In the vision of God“ beschreibt der Bhakti-Mönch Swami RamDas, wie ihm in einer Herberge seine wenigen Habseligkeiten gestohlen wurden. Als der Dieb später von der Polizei gefasst wurde, dankte ihm RamDas überschwänglich mit den Worten: „Oh Gott, es ist unglaublich, in welchen Formen du mir immer wieder erscheinst. Ich danke dir, hier nimm alles, ich schenke es dir.“

Der Gauner war fassungslos, wie sich denken lässt.

Die meisten von uns benötigen für erhabene Gedanken und Gefühle etwas Schönes wie den Sternenhimmel oder das Spiel der Wellen an einem Strand bei Sonnenuntergang. Darin unterscheiden sie sich nicht von Lanza del Vasto.

Der indische Heilige Ramakrishna realisierte Gott in allen Weltreligionen. Das bedeutet, dass die Essenz des Koran, der Bibel oder der Bhagavad-Gita die Gleiche ist (wie sollte es auch anders sein?), man darf sich nur nicht von den unvermeidlichen Widersprüchen irritieren lassen.

Heutzutage sprechen die Kirchenoberen gern etwas abschätzig davon, dass sich die Menschen individuell ihre eigenen Religionen zurecht basteln. Sie würden munter Esoterik mit der Gedankenwelt der Hopis, den Worten Jesu und dem Karmadenken der Inder mischen. Natürlich ist dies für Dogmatiker aller Couleur ein Graus. Für mich ist es aber eine Emanzipation des Individuums von den „Religionsverwaltern“. Schließlich wissen sie auch nicht mehr als jeder von uns. Insofern finde ich es im Gegenteil gerade richtig, wenn jeder auf seine Weise versucht, (Rück)-Verbindung herzustellen.

Wir befinden uns mit dieser Haltung in guter Gesellschaft. Die Mystiker sind zu allen Zeiten ihren eigenen Weg gegangen und trauten nur ihrer Erfahrung und ihrem unmittelbaren Erleben. Von den Amtskirchen wurden sie dafür nicht geliebt. Die Sufis wurden und werden von den Imams auch heute noch mit Misstrauen beäugt.

Wir kennen wahrscheinlich alle dieses schöne Bild vom kleinen Teich, dessen Oberfläche sich bei Wind kräuselt. Wenn es aber windstill ist, dann kann man bis auf den Grund sehen.

Dies beschreibt das Wesen der Meditation. Wenn wir, durch welche Techniken auch immer, durch Überlegungen oder Philosophien, das Denken zur Ruhe bringen, dann wird unsere Realitätssicht eine andere.

Jeder muss seine eigenen inneren und äußeren Kraftorte finden. Seien es Berge, Bäume, ein plätscherndes Bächlein oder auch Kirchenbesuche. Es sollten Orte oder Objekte sein, die ein Gefühl der Existenz von etwas Größerem außerhalb unserer selbst erwecken.

Wer einmal Gelegenheit hat, die mächtigen Eichen im Reinhardswald, Deutschlands größtem zusammenhängenden Waldgebiet mit uralten Eichen, zu besuchen, wird Ehrfurcht empfinden und spüren, dass „es da was gibt“.

 

 

 

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