Gebrochene Herzen

P1010337Gestern gedachte das politische Deutschland (die anderen hatten anderes zu tun) dem Ende des II. Weltkriegs. Für Deutschland ging ja nicht nur dieser Krieg zu Ende, sondern weit mehr, nämlich die noch nicht verarbeitete nicht demokratische Kaiserzeit mit der Folge des I. Weltkriegs, sondern auch die durch Geldentwertung und Massenarbeitslosigkeit geprägte Weimarer Republik.

Nachdem die Siegermächte nach dem II. Krieg klüger waren als nach dem I. und keine Irrsinnsreparationszahlungen verlangten, hatte das Deutsche Volk zum ersten Mal die Chance, in einer Demokratie neu anzufangen. Und – es hat sie genutzt!

Kein Land der Welt hat nach so einer totalen Zerstörung in sehr kurzer Zeit einen solchen Wiederaufbau geschafft.

Wir haben für die Schuld, die wir durch Kriegsverbrechen und Holocaust auf uns geladen haben, bezahlt. Millionen starben und wurden aus ihrer Heimat vertrieben.

Kein Volk der Welt aber geht so selbstkritisch mit seiner Schuld und seiner Vergangenheit ins Gericht wie wir. Wir stellen uns sogar ins Regierungsviertel ein Mahnmal unserer Schuld. Das gibt es sonst nirgends.

Helmut Kohl prägte bei seiner Israelreise 1984 den Begriff „Die Gnade der späten Geburt“. Er wollte damit zum Ausdruck bringen, dass die nach 1930 Geborenen nicht mehr für die Verbrechen der Nazis verantwortlich gemacht werden können, weil sie, schlicht gesagt, noch nicht dabei waren. Diese Worte sollten auch ein Signal sein, dass es jetzt ein neues Deutschland gibt.

In den beiden christlichen Kirchen geistert noch immer das Wort von der Erbsünde. Weil Adam und Eva den Apfel gegessen haben, wurden sie bestraft und diese Sünde setzt sich durch die Geschichte des gesamten Menschengeschlechts fort.

Wenn man das esoterisch interpretieren würde, stimmte das ja auch. Wir sind aus der Einheit in die Dualität gefallen. Das ist eine Strafe, weil wir immer die Diskrepanz zwischen dem Ich und dem Du ertragen und verarbeiten müssen. In der paradiesischen Einheit könnten wir uns friedlich neben die Löwen legen.

Was wir hier in Deutschland anlässlich solcher Feiertage wie gestern zelebrieren, klingt ähnlich.

Der Bundespräsident stellte sich einmal wieder mit seiner üblichen Deprimiene hin und sprach: „Deutschland kann man nur mit gebrochenem Herzen lieben.“

Ein Mensch mit einem gebrochenen Herzen kann überhaupt nicht lieben. Er ist am Boden, gepeinigt von Schmerz, Schuld, Wut und Leid.

So ein Mensch ist lebensuntüchtig. Er kann nicht leben im eigentlichen Sinne. Er überlebt lediglich.

So ein Mensch liebt sich nicht und ist auch unfähig, andere zu lieben.

Was für Individuen gilt, ist auch richtig für Völker. Ein Volk, das ständig an seiner Schuld gemessen wird, ist mit sich selbst uneins. Es ist nicht ganzheitlich. Es kann sich nicht von innen heraus selbst annehmen und lieben.

Anstatt immer in der Vergangenheit herumzuwühlen, sollten wir viel lieber daran arbeiten, mit unserer Schuld so umzugehen, dass etwas Positives entsteht statt dieser ewigen Selbstkasteiung.

In einem Interview sagte neulich zum Beispiel der Historiker Götz Aly, dass es unmöglich sei, auf die Einladung Russlands zum Feiertag des Endes des Krieges nicht reagiert zu haben. Zur Erinnerung: Deutschland ist verantwortlich für den Tod von 27 Millionen Russen. Da wäre Gelegenheit gewesen, dem russischen Volk sein Bedauern zu zeigen. Aber nein, man hat sich entschieden, Putin mal wieder zu prügeln.Wie schäbig! Putin ist nicht Russland.

Man könnte auch ernsthaft daran arbeiten, dass nicht immer mehr Juden überlegen müssen, ob sie noch eine Zukunft in Deutschland haben oder ob sie wegziehen sollten.

Wir haben ein schönes Land mit guten Menschen, die tüchtig sind und wahrlich nicht nur an sich selbst denken.

Das zum Beispiel könnte man an so einem Feiertag herausstellen.

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