Der gläserne Mensch

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Wenn man bei Amazon einen Kochtopf bestellt, wird man im Weiteren immer wieder Angebote an Kochtöpfen bekommen und weil das nicht genug ist, bietet uns die Firma auch noch Schöpflöffel an, denn sie ist in Sorge um uns, dass wir die Suppe aus dem gekauften Topf auch auslöffeln können. Jeder weiß das und wer das nicht will, der soll nichts im Internet bestellen. Basta!

Ich höre unter der Dusche gerne You Tube und auch diese Company kennt mich genau, denn sie bietet mir jeden Morgen neue Vorschläge, die ihre Algorithmen für mich auf Grund meines Musikgeschmacks herausgefunden haben. Darüber freue ich mich, denn dabei lerne ich Stilrichtungen und Musiker kennen, die ich sonst nie gefunden hätte. Radio kann man sowieso vergessen, weil diese Soße, die einem da serviert wird, so seicht ist, dass man die meisten Sendungen als Beihilfe zur Volksdemenz bezeichnen könnte.

You Tube ist eine Google Company und da ich meine tausende von Photos in der Google Cloud habe, weiß Google auch genau, wo ich überall schon war. Besser sogar als ich, denn in meiner Zeitachse kann ich sehen, wo ich mich am 23. April 2015 befand und wenn meine Frau und ich Photos ansehen, fragen wir uns manchmal, wo das gewesen sein könnte. Manchmal wissen wir das nicht mehr, aber Google hilft uns. Das finde ich toll.

Maps ist auch so was. Hilfreich bietet es mir an, mich zur nächsten Tankstelle zu führen. Danke Google!

Inzwischen mag der eine oder andere Leser den Eindruck gewonnen haben, dass lebenslange Yogapraxis doch nicht zu geistiger Gesundheit führt und der Schreiber dieser Zeilen offensichtlich in einem Kaugummiuniversum lebt, in dem Kritikfähigkeit nicht mehr vorkommt.

Ich finde das nicht! Vergessen sollten wir in diesem Zusammenhang auch nicht, dass die Verwendung der EC-Karte zum selben Ergebnis führt. Man weiß sehr genau, wo wir etwas gekauft haben. Wir sind gläsern und wer das nicht will, der soll sich tunlichst von all dem fernhalten und nicht vergessen, sofort sein Handy mit dem Hammer in viele Stücke zu hauen. ( Dann aber bitte die Teile zum Wertstoffhof bringen, denn sie enthalten wertvolle Erden und Metalle.)

Aber, keine Bange, die EU weiß um unsere Probleme und hilft uns, indem sie die DSGVO, das ist die Datenschutz-Grundverordnung, erließ. Das heißt zum Beispiel, beim Aufschlagen einer Webseite muss ich erst einmal bestätigen, dass Cookies verwendet werden. Wer hätte das gedacht?

Jeder Betreiber einer Webseite muss jetzt in seiner Datenschutzerklärung genau sagen, was er speichert und ob er Cookies verwendet usw. Ich übrigens auch. Wer wissen will, was ich für finstere Pläne mit meinen Besuchern hege, soll tunlichst ganz unten mal die Datenschutzerklärung anklicken. Da gibt es rechtlich vieles zu beachten und als Laie tut man sich dabei schwer und versucht eben sein Möglichstes. Die juristischen Geier, die in den verwaisten Hinterhofkanzleien arbeitsloser Anwälte hausen, wetzen schon die Schnäbel, um mit Abmahnungen abzusahnen. Dem kann man vorbeugen, indem man eines der vielen Seminare besucht, die einem beibringen, wie man das zu handhaben hat, natürlich gegen Bezahlung. Viele kleine Blogger und Seitenbetreiber, die sich immer wieder kritisch mit den Zuständen in unserem Land auseinandersetzen, werden aufhören, weil ihnen der Aufwand zu groß ist.

Und genau das ist auch beabsichtigt. Man will Kontrolle über das Netz! So wird sich die Netzaktivität immer mehr auf die Großen wie Facebook, Google, Twitter, Instagram konzentrieren. Angefangen hat das bei uns in Deutschland schon, als der ehemalige Justizminister Maas sein Netzwerkdurchsetzungsgesetz ( ich liebe dieses Wort ) einbrachte. Darin wird verboten, Andere zu beschimpfen und die Plattformen, wie Facebook werden angehalten, das zu überwachen. Zuckerberg und Co. erhalten also hoheitliche Rechte, die eigentlich nur dem Staat zustehen.

Angeblich will man uns helfen, unsere Daten zu schützen. Amazon muss uns jetzt mitteilen, dass es Cookies verwendet, damit wir auch die richtigen Kochtöpfe mit Kochlöffel bekomme.

Heute Morgen las ich auf Twitter, dass die Berliner SPD plant, ein der von Innenminister Seehofer geplantes Ankerzentrum für Asylbewerber im Stadtteil Altglienicke zu errichten. Warum dort? Weil die Altglienicker in hohem Maße AfD gewählt haben. „Dann sollen sie auch kriegen, was sie verdienen,“ meint die Berliner SPD. Also Vorsicht, wenn man anständige Kindergärten und ähnliche Infrastrukturmaßnahmen im Stadtteil haben möchte, sollte man  im Sinne der Regierungspartei wählen.

Ich finde solche staatlichen Entwicklungen viel gefährlicher als alles, was Google oder Amazon mit seinen Kochtöpfen macht. Aber – wie die Beatles in ihrem unsterblichen Song „Strawberry Fields Forever“ sangen: „There‘s nothing to get hung about…“ Es ist nichts, worüber man sich aufregen sollte.

Gehen wir in dieser Jahreszeit an einem frühen Morgen hinaus in die Natur. Anfänglich mag man noch innerlich über manchen Unsinn schimpfen und vor sich hin grummeln. Langsam werden aber dann die Farben des Himmels, der Gesang der Vögel in unser Denken eindringen und nach der Katharsis aufzeigen, was wirklich wichtig ist im Leben.

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