„Amen dir sage ich heute mit mir wirst du sein in dem Paradies.“ So lautete der Satz, den Jesus am Kreuz zu dem reuigen Schächer sprach. In einem sehr interessanten Text von Siegfried Wittwer beschreibt dieser eine für mich völlig neue Sicht auf diesen Satz. Bisher war klar: Der Schächer bereut seine Sünden, vertraut auf Jesus und zieht mit ihm nach dem Ableben ins Paradies ein.
Wittwer führt aus, dass im ursprünglichen griechischen Text die Zeichensetzung fehlte. So sei es damals üblich gewesen. „Diese Satzzeichen wurden erst 1490 n. Chr. durch den katholischen Schriftsetzer Manucius aus Genua, Italien, in den griechischen Text eingefügt.“ Dadurch wurde die gesamte Aussage verändert. Sie lautete nun: „Amen, dir sage ich, heute wirst du sein mit mir im Paradies.“ In der konkordanten Bibelübersetzung dagegen lautet der Text:(begriffskonkordant=für jeden Begriff der Ursprache wird in der Zielsprache möglichst das gleiche Wort verwendet.)
„Amen, dir sage ich heute, mit mir wirst du sein im Paradies.“ Das ergibt Sinn, denn nach dem Tod ist man laut Bibel tot. Es heißt in Psalm 104, Vers 29: „…nimmst du ihnen den Atem (Odem), so schwinden sie hin und kehren zurück zum Staub der Erde.“ Das heißt, es stirbt nicht nur der Körper, sondern alles vom Menschen ist tot. Es gibt im Christentum keine „unsterbliche Seele“, die erhalten bleibt. Ohne den Atem Gottes hört alles auf. Man spricht vom Todesschlaf, in dem keine Zeit existiert.
Ein zentraler Punkt in der christlichen Lehre ist die Auferstehung von den Toten. Diese Auferstehung ist nur möglich, wenn man vorher tot war. In den östlichen Philosophien und Religionen ist dies vollkommen anders. Nehmen wir Yoga, welches auf der uralten Samkhya – Philosophie basiert. Hier gibt es zwei völlig voneinander getrennte Entitäten, nämlich Geist (Purusha) und Materie (Prakrti). Ersterer ist sich selbst nicht bewusst und verbindet sich von Inkarnation zu Inkarnation mit der Materie, um sich selbst bewusst zu werden. Hier haben wir am ehesten, was gemeinhin als unsterbliche Seele bezeichnet wird. Dieser Geist verbindet sich solange immer wieder mit einem materiellen Körper, bis kein Karma mehr vorhanden ist. Da jedes Lebewesen für sein Karma selbst verantwortlich ist, ist in diesem Begriffssystem auch kein Gott nötig. Im Buddhismus ist es ähnlich. Wenn das Feuer des Karmas erloschen ist, verlischt die Existenz. Das ist das Nirwana. Es ist kein Himmel im christlichen Sinn, sondern ein Aufhören, mehr nicht.
Es ist für Menschen nicht leicht, sich vorzustellen, dass es nach dem Tod nicht hinüber geht in eine lichte Welt, sondern ins Grab. Der Kern des christlichen Glaubens ist die Hoffnung, wie sie in Johannes 5, 29/30 formuliert ist: „…Die Stunde kommt, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und herauskommen werden: Die das Gute getan haben, werden zum Leben auferstehen, die das Böse getan haben, zum Gericht. Von mir selbst aus, kann ich nichts tun…“
Man mag jetzt einwenden, dass es doch, vor allem im Hinduismus unzählige Götter gibt und dass auch Buddha wie ein Gott verehrt wird. Letzterer hatte das nie vor und das andere ist der menschlichen Natur geschuldet. Wir fühlen uns zuzeiten recht alleine in diesem Riesenuniversum und es ist eine Beruhigung, wenn man den Logos oder das Brahman vermenschlicht und seine Sorgen und Ängste vor einer Figur ausbreiten kann.
Es hat zu allen Zeiten und in allen Religionen Seher und Propheten gegeben, die behaupteten, zu wissen, was jenseits der Schwelle ist. Fast das gesamte Alte Testament besteht aus ihren Aussagen. Neuerdings haben wir die Berichte über Nahtoderfahrungen. Hirnforscher sagen, dass diese nur von klinisch Toten stammen, nicht von Hirntoten und von letzteren ist noch keiner zurück gekommen. Da fallen dann Begriffe wie Kohlendioxidkonzentration im Hirn, Sauerstoffmangel und erhöhte Endorphinausschüttung, die zu Licht – und Tunnelerlebnissen führen.
Ich finde es manchmal recht interessant, die Unterschiede der Philosophien und Religionen herauszuarbeiten, weil vieles, was heute in spirituellen Kreisen zirkuliert, einfach nur Einheitswischiwaschi ist, welches von Elfen über Engel bis zu Buddha und Jesus als Yogi reicht.
Ich persönlich denke, dass die Schöpfung eine inhärente Intelligenz besitzt, die in einem ständigen Prozess von Werden und Vergehen begriffen ist. Ich würde das als Gott bezeichnen, der aber für menschliches Denken nicht fassbar ist, da es im dreidimensionalen Denken verhaftet ist. Schon wenn wir als zusätzliche Dimension die Zusammenhänge zwischen Zeit und Masse hinzunehmen, können wir das nur noch theoretisch erfassen, aber nicht mehr erfahren. Vielleicht gibt es ja noch viel mehr Dimensionen?
An der östlichen Karmatheorie gefällt mir die Logik des Wenn – Dann. Allerdings hat sie auch etwas Erbarmungsloses. Man stelle sich vor, dass ja jeder Gedanke, jedes Gefühl immer wieder neues Karma produziert, welches abgearbeitet werden muss. Da gibt es keine Gnade. Das hat vor Jahrzehnten schon der indische Weise Sri Aurobindo gesagt. Wenn das göttliches Gesetz ist, dann ist es für menschliche Hirne zu leicht zu durchschauen. Also was ist da dann göttlich? Es gibt ja den gescheiten Ausspruch: „Wenn ich Gott begreifen könnte, wäre ich er.“
Wenn Gott das Universum ist, was ja schon etwas Gigantisches ist, wäre ihm alles zuzutrauen. Warum sollte er also nicht einen Menschen schicken, der sein Sohn ist?
Mir kommt gerade der alte deutsche Ausspruch in den Sinn: „Tue recht und scheue niemand!“ Ich glaube, dass das als Lebensmotto recht gut taugen würde, um für alles, was da kommt, gerüstet zu sein.