Pädagogik Teil 1

Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, höre ich meistens eigene Musik aus der Konserve. Manchmal ist aber der Akku leer und ich entschließe mich, nach einigem Zögern, das Radio einzuschalten. Ich weiß genau, wie das endet. Nach spätestens zehn Minuten kehrt in meinem Auto wieder Stille ein, weil dieses unerträgliche Geschwätz und dieses banale Gedudel meine durch eiserne Yogapraxis gestählten Nerven überbelastet.
Zudem erfüllt das Gehörte meinen Geist mit Gram und Sorge und zwar in Bezug auf das Bildungsniveau des bayerischen Volkes. Wie anders ist es zu erklären, dass nach jedem dieser banalen Liedchen die Ansage:„Bayern eiiiiins oder Bayern draaaaiii“ kommt? Offensichtlich misstraut man im Staatsrundfunk der Merkfähigkeit der Landeskinder, sodass man ihnen in relativ kurzen Abständen sagen muss, was sie gerade hören.
Das deckt sich mit den Klagen von Lehrherren (was gebrauche ich heute aber auch wieder für antiquierte Begriffe), dass ihre Lehrlinge nur noch rudimentäre Schreib – und Lesefähigkeiten besitzen. Ach was rede ich da, dieselbe Klage ist ja auch von den Universitäten über die dort angetretenen Abiturienten zu hören. Mir ist es völlig unverständlich, wie es dahin kommen konnte. Da ist eine unermüdliche Kultusbürokratie, die keine Mühe scheut, den Lehrkörper der Schulen und Bildungseinrichtungen ständig mit den neuesten pädagogischen Erkenntnissen zu versorgen. Vor allem auch mit dem richtigen Timing, d.h. immer dann, wenn eine Neuerung gerade soweit eingeübt war, dass sie lief, kommt eine neue Anweisung.
Als ich in die erste Klasse ging, saß die zweite Klasse in der nächsten Schulbankreihe, die Lehrerin saß vorne und lehrte. Ich habe während meiner ganzen Schulzeit keinen Stuhlkreis gebildet und an keiner Freiarbeit teilgenommen, geschweige denn selbstbestimmte Sitzordnung genossen.
Trotzdem beherrschten wir den uns vermittelten Lernstoff und zeigten auch annehmbares Sozialverhalten.
Jede Innovation muss sich meines Erachtens in Bezug auf ihren Nutzen bewähren. Sind das glücklichere Kinder mit einem erfüllteren Dasein, die am Ende all dieser pädagogischen Bemühungen heraus kommen? Ich habe Zweifel. Erfinden sie das Rad neu? Ich sehe nichts davon. Haben sie mehr soziale Kompetenz? Ich sehe eher weniger.
Nun ist die Schule nur ein Faktor im Sozialisationsprozess. Demgegenüber steht eine gewaltige Macht an Medien und Konsumverlockungen. Um so mehr wäre es wichtig, dass Lehrer Personen sind, die als Beziehungspersonen eine Ankerfunktion in diesem Strudel von Reizen und Eindrücken, die auf Kinder und Jugendliche einstürmen, darstellen könnten.
Die erste Regel der Gruppenpädagogik lautet:„Anfangen, wo die Gruppe oder der Einzelne steht.“
Wie soll das funktionieren, wenn 28 Kinder mit verschiedenster Herkunft in der Klasse sitzen und neuerdings auch noch Behinderte inkludiert werden sollen?
Im Grunde weiß jeder Pädagoge, dass das alles nicht zu leisten ist. Da man aber politisch den Zwang hat, irgend einen Weiterentwicklungsprozess in Gang zu bringen, entwickelt man Aktionismus. Man verlangt Evaluationen, Wortgutachten, die keiner liest und was weiß ich noch.

Dabei wäre es so einfach. Man bräuchte die Klassen nur auf 10 Schüler begrenzen und dem Lehrer unnötige Aufgaben vom Halse halten. Er hätte Zeit, sich mit dem einzelnen Kind zu beschäftigen. Es könnten wirkliche Beziehungen aufgebaut werden. Man könnte individualisieren und die Gruppe wäre so überschaubar, dass auch ein behindertes Kind mitbetreut werden könnte.

Warum macht man das nicht?
Weil das richtig schön teuer wäre! Man müsste Leute einstellen. Einfacher und billiger ist, zu sagen, wir machen jetzt auf Inklusion, das ist im Trend, stecken in jede inhomogene Klasse noch ein gehandicaptes Kind und können sagen: „Seht her, wie fortschrittlich wir sind.“

Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich mich bei meiner Meckerei nicht in eine stolze Ahnenreihe von Unken einreihe und alles gar nicht so schlimm ist, weil es schon immer so war. Siehe Zitat unten:

„Die heutige Jugend ist von Grund auf verdorben, sie ist böse, gottlos und faul. Sie wird niemals so sein wie die Jugend vorher, und es wird ihr niemals gelingen, unsere Kultur zu erhalten“ (1000 v. Chr., Babylonische Tontafel).

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