Schieb den Fluss nicht an…

…er fließt von selbst. Wir hören diesen Spruch, wir kennen ihn – und gehen wieder zur Tagesordnung zurück. Ähnlich geht es uns mit: „Der Weg ist das Ziel.“ „Ja, ja, kennen wir schon.“

Schauen wir uns „den Fluss“ etwas näher an.

Der indische Philosoph Jiddu Krishnamurti hatte als zentrale Botschaft seiner Lehre die Anweisung: „Just observe – Nehme wahr!“ Er meinte damit die Wahrnehmung der eigenen Denk – und Gefühlsprozesse.

Wenn wir genau hinschauen, sind wir selten mit dem Zustand zufrieden, in dem wir uns gerade befinden. Wir möchten am liebsten immer energetisch, glücklich und gut gelaunt sein. Wenn das nicht so ist, neigen wir zu Selbstkritik, die bis zum „sich selbst Heruntermachen“ geht. Wir versuchen dann vielleicht durch alle möglichen Stimulanzien möglichst schnell wieder „gut drauf“ zu sein.

Mark Twain sagte einmal: „Es ist überhaupt nicht schwer, das Rauchen aufzugeben, ich selbst habe es schon hundertfünfzig Mal geschafft.“

Aus diesem humorigen Spruch spricht eine tiefe Wahrheit, nämlich die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. Es steht eigentlich nichts dagegen. Wir müssen aufpassen, dass wir uns nicht durch Konzepte und „Ismen“, die wir uns selbst übergestülpt haben, das Glück verwehren. Was ist eigentlich das sogenannte Versagen, das wir uns oft vorwerfen? Wir haben uns etwas vorgenommen und es ist anders gekommen als wir es erwartet haben. Denken wir an Twain. Natürlich wäre es gesünder, wenn wir es schaffen würden, mit dem Rauchen aufzuhören, aber es scheint Unterschiede zu geben. Manchen gelingt es und manchen nicht. Dafür mag es Gründe geben, die nicht so einfach wegzuschieben sind.

Freiheit ist der Einklang mit sich selbst. Da Leben ein lebendiger Prozess ist, kann keine Stunde der anderen ähneln.

Wir existieren auf drei Ebenen:

der Denkebene
der Gefühlsebene
der Handlungsebene
Ziel muss es sein, das Geschehen auf allen drei Ebenen in jedem Augenblick wahrzunehmen. Wenn wir uns zum Beispiel in einem spannenden Denkprozess befinden, angenommen wir schreiben gerade einen Aufsatz und wir ignorieren, dass in uns eine Unlust wächst, weil wir schon viel zu lange still gesessen haben, so wird sich das negativ auswirken. Irgendwie muss das dann wieder kompensiert werden. Vielleicht mit einer Zigarette?

Wenn wir vorher nicht über unser gefühltes Bedürfnis nach Abwechslung hinweg gegangen und kurz hinaus in den Garten gegangen wären, wäre es anders gekommen.

Das innere Konzept, dass da sagt: „Ich muss das jetzt genau so machen, wie ich mir das vorgestellt habe“, hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Es mag jetzt der Einwand kommen: „Aber man kann doch nicht alles so laufen lassen, manchmal muss man sich doch zusammenreißen, sonst geht ja nichts voran und am Ende landen wir dann in Müßiggang und Völlerei“ usw.

Das ist wohl wahr. Aber, wenn wir so gut wie möglich die drei Daseinsebenen wahrnehmen, wird das nicht passieren. Wenn wir nämlich der Faulheit verfallen, zeigen sich auf der Denk – und Gefühlsebene massive Unlust und Unzufriedenheit, die dafür sorgen, dass wir wieder ins Lot kommen. Selbst wenn das eine Weile dauert, war diese Zeit vielleicht nötig und derselbe Prozess kann sich auch öfters wiederholen.

Tatsächliche Zeit hat mit der psychologischen Zeit nichts zu tun.

Das Wasser fließt mal schnell und reißend und mal langsam und gemächlich. Aber, und das sollten wir nicht übersehen, es fließt. Wer könnte sagen, das eine sei besser als das andere?

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