Beim Achtfachen Pfad handelt es sich um eine ganzheitliche Schulung des physio-psychischen Systems, um dieses in die Lage zu versetzen, das Denken in einen durch nichts unterbrochenen Konzentrationszustand (Dhyana) zu bringen.
Samkhya heißt Zahl. Wir hatten bisher fünf Tattvas (Seinszustände), nämlich Purusa, Prakrti und die drei Gunas. Nun kommen zehn dazu, nämlich Fähigkeiten, um Informationen aufzunehmen: (Jñānendriyas) und fünf Handlungsorgane ( Karmendriyas). Darin steckt das Wort Karma für handeln.
Fünf Jñānendriyas – Sinnesorgane: Hören, Tasten, Sehen, Schmecken, Riechen.
Fünf Karmendriyas – Handlungsorgane: Sprechen, Greifen, Gehen, Ausscheiden, Fortpflanzen.
Diese zehn Attribute versetzen uns in die Lage, uns in der materiellen Welt zu behaupten. Sie füttern uns pausenlos mit unzähligen Informationen, auf die wir dann in irgendeiner Form reagieren.
Sie halten uns aber fest in der Materie, also der wechselnden Realitäten. Die jedoch wollen die Yogis überwinden.
Jeder Sinneseindruck führt zu einem Gedanken oder einem Gefühl. Dadurch werden die im Unterbewusstsein gespeicherten Eindrücke (Samskaras) auch wieder aktiv und wir versinken in einem Wirbel von Denkprozessen.
All diese Prozesse landen bei einer Instanz, die wir Manas nennen. Sie koordiniert all das und leitet sie „nach oben“ weiter zum sogenannten Ich-macher (Ahamkara). Dies ist das individuelle Bewusstsein. Ahamkara sagt:„Das bin ich, das gefällt mir und das nicht. Das kann ich und das nicht, usw.“
Je stärker dieses Ich-Bewusstsein „gepflegt“ wird, desto mehr ist das Individuum in Unwissenheit über die wahre Natur des Universums (Avidya) verhaftet.
Deswegen ist Demut eine zentrale Eigenschaft in der spirituellen Entwicklung.
Indem das ganze Sein des Yogi immer sattvischer wird und die anderen Tendenzen (Tamas und Rajas) immer weniger werden, löst sich der Yogi von der Grobstoffflichkeit der Materie, den fünf Mahabudhas: Erde, Wasser, Feuer, Luft, Äther.
Das ist so zu verstehen: Wenn ein Yogaaspirant versucht, sich zu konzentrieren, nimmt er als Objekt zum Beispiel den Atem oder er stellt sich eine Figur vor. Ein Yogi, der diese Ebene verlassen hat, befindet sich auf der Tanmatras-Ebene. Man könnte sie auch intraatomare Ebene nennen. Es sind die fünf feinstofflichen Sinnesqualitäten (Ton, Berührung, Form, Geschmack, Geruch).
Banal gesprochen konzentriert er sich nicht mehr auf ein Brot, sondern auf die Qualität des Geschmacks oder des Geruchs.
Die meisten verstehen Samadhi als einen Zustand. In Wirklichkeit ist es eine Technik der tiefen Konzentration.
Man unterscheidet Saṃprajñāta Samādhi („mit Erkenntnis“)
→ Bewusste Meditation, bei der noch ein Objekt des Geistes vorhanden ist.
→ Der Geist ist vollkommen konzentriert, aber bewusst über den Gegenstand und
Asaṃprajñāta Samādhi („ohne Erkenntnis“, auch nirvikalpa samādhi)
→ Zustand völliger Bewusstseinsruhe, ohne Gedanken, ohne Objekt.
→ Der Geist transzendiert alle Formen von Wissen, Dualität und Erfahrung.
Hier sind alle mentalen Aktivitäten (vṛttis) völlig zur Ruhe gekommen. Der Yogi ist im reinen Bewusstsein (fast) ohne materielle „Verunreinigungen“.
Es ist die höchste Stufe der Bewusstheit (Buddhi), deren der Mensch fähig ist. Hier erkennt sich der Purusa. Wir verglichen ihn ja mit einem klaren Diamanten, der alles reflektiert, was die Sinne ihm vorsetzen. Da Buddhi ebenfalls jenseits aller materiellen Qualitäten ist, ist es vollkommen klar und es wird nichts mehr reflektiert.
Hier heißt es in den Yogasutren: Der Seher (Purusa) erkennt sich selbst.
Es ist ein Zustand vollkommener Transzendenz, in dem:
kein Subjekt-Objekt-Verhältnis mehr besteht,
keine karmischen Eindrücke mehr entstehen,
und der Geist völlig zur Ruhe gekommen ist (citta-vṛtti-nirodha).
Liebe Leser, mir ist vollkommen klar, dass die letzten vier Artikel „starker Tobak“ waren. Ich wollte einmal Yoga in seiner ganzen Totalität in möglichst einfachen Worten darstellen.
Es gibt ja eine ganze „weise Sprüche-Industrie“. Da steht dann so ganz selbstverständlich:„ Höre damit auf, dich mit deinem Ego zu identifizieren.“
Na wenn’s weiter nichts ist!
Trotzdem besteht kein Grund zu resignieren. Jeder Gedanke, jede Beschäftigung mit etwas, das unser Denken erhöht, ist nie verloren und führt uns unwiderruflich zu diesem letzten Ziel.

