Die Geschichte der Lotosblüte

Oznor
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Manchmal nerven mich die schlauen Sprüche, die uns allenthalben von mehr oder weniger weisen (meistens) Männern um die Ohren gehauen werden.

Da lesen wir dann, dass man sich nicht von Widrigkeiten beeinflussen lassen sollte.

Wer kann da nicht zustimmen?

Eine andere Aussage ist, dass nur Nahrung, Sex, Schlaf und Tod zwanghaft sind. Das heißt, diesen Vieren kann man nichts entgegensetzen, die setzen sich immer durch.

Alles andere aber liegt in unserer Verantwortung und kann verändert werden.

Das Ideal ist in der Bhagavad-Gita, Kapitel 5 Vers 10, schön formuliert: „Der wahre Yogi ruht wie ein Lotosblatt“. Dies bezieht sich auf das Konzept, von der Außenwelt losgelöst und unberührt zu bleiben, ähnlich wie ein Lotosblatt auf dem Wasser schwimmt, ohne nass zu werden. Es bedeutet einen Zustand des Seins in der Welt, der den inneren Frieden und den Gleichmut inmitten der Schwankungen des Lebens aufrechterhält.

Soweit so gut, wer möchte das nicht? Wenn man alt ist, so wie ich, dann hat man mehr erlebt und einen längeren Überblick als Jüngere. Ich spreche hier nur von der zeitlichen Dimension, nicht von der Tiefe, die kann man in jungen Jahren genauso haben.

Eines hat mich die Zeit gelehrt, nämlich, dass psychische Veränderungen nicht einfach willentlich herbeigeführt werden können.

Nach den östlichen Philosophien sucht sich ja die Wesenheit, die den Körper verlassen hat, auf deutsch gesagt gestorben ist, bei ihrer Reinkarnation nicht irgendwelche Eltern aus, sondern genau die, welche die Erfahrungen, die diese „Seele“ machen muss, bieten können.

Das bedeutet, dass es eine Korrelation gibt zwischen diesen Eltern und dem Wesen, das aus dem Zwischenreich, die Tibeter nennen das Bardo, zu ihnen kommt.

Daraus folgt, dass keine Beziehung so eine tiefe karmische Bindung hat wie die Eltern-Kind-Beziehung.

Das Kind ist auf die eine oder andere Art in das Karma der Eltern verstrickt. Wir kennen das aus Filmen und Romanen. Der Vater wünscht sich, dass der Sohn das, was er nicht erreichen konnte, vollbringt.

Mütter mischen sich gerne in die Beziehungen ihrer Söhne ein: „Das ist doch nicht die Richtige für dich. Kann sie denn dein Lieblingsessen kochen?“

Kürzlich bin ich einmal wieder auf den Namen Virginia Satir gestoßen. Sie und der Argentinier Salvatore Minuchin sind die Begründer der systemischen oder auch strukturellen Familientherapie.

Zentrale Aussagen sind: Um das Verhalten eines Individuums verstehen zu können, muss man die Familienstrukturen zurück bis in die Großelterngeneration, ja manchmal sogar der Urgroßelterngeneration, kennen. Vor allem sollten sie dem Betroffenen so gut wie möglich bewusst sein, denn es ist durchaus möglich, dass dieser Mensch eine Konfliktbeziehung zum Beispiel mit einem Partner hat, der aber in Wahrheit nicht in seiner eigenen Biografie begründet ist, sondern in ungelösten Beziehungen seiner Eltern.

Beispielsweise rebelliert eine Tochter permanent und mit großem emotionalen Einsatz gegen ihren Vater. Wie das bei Eltern so üblich ist, reagiert dieser verständnisvoll und versucht, möglichst alles „richtig“ zu machen. Dies scheint aber nicht möglich zu sein, denn nach Phasen der Harmonie kommt unversehens die Wut der Tochter wieder zum Ausdruck und der Vater ist völlig perplex.

Das führt zur zweiten Aussage der Familientherapie: Kinder agieren nicht eigene Konflikte aus, sondern die ihrer Eltern. In unserem Beispiel kommt die Mutter der Tochter aus einer Familie, die fast ausschließlich vom Vater dominiert war. Die Frau dieses „Patriarchen“ war der absolute Underdog. Verständlicherweise versucht sich die Tochter, auf die ebenfalls Macht ausgeübt wurde, daraus zu befreien. Sie führt einen permanenten Kampf gegen den Vater. Das ist nicht immer offensichtlich. Zuzeiten scheint alles in Ordnung zu sein. Kinder wollen ja auch geliebt werden. Tatsache ist jedoch, dass dieser Beziehungskonflikt der Tochter in die spätere Beziehung übertragen wird und von der Tochter der Tochter ausgefochten wird.

Solange diese Struktur unbewusst bleibt, ist der spätere Konflikt zwischen Vater und Tochter unlösbar und wird letztlich in Sprachlosigkeit enden.

Yoga spricht von solchen Dingen gerne als „Spielereien des Denkens“, die durch intensive Yogapraxis gelöst werden, indem durch tiefe Meditation eine Kontrolle über das Denken erreicht wird.

Diese Kontrolle schafft aber, laut Gita nur einer unter einer Million. Für „the ordinary men“ aber ist es wichtig, sich solcher Strukturen in ihrer (Familien)-Biografie immer besser bewusst zu sein, um damit umgehen zu können.

 

 

 

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