Mein Yoga

Img 20250103 165446Vor kurzem war eine gute Freundin von mir bei einem Vipassana-Wochenende. Auf die Frage, wie es denn gewesen sei, zögerte sie eine Weile, um dann „Jaaaaa – es war schon ganz gut, aber auch sehr anstrengend.“

„Hat es dir denn was gebracht?“ „Jaaaaa – ich glaube schon, es ist ja immer auch sehr anstrengend.“

 

Eine andere Bekannte besuchte gerne immer wieder mal Zen-Retreats. Vor allem das lange Sitzen „sei sehr anstrengend“, war der Kern der Berichterstattung.

 

1980 erschien von Eckard Kroneberg das Buch „Buddha Berlin Wilmersdorf“. Er beschreibt darin seine Zeit in einem Theravada-Buddhismus-Kloster in Ceylon. Er berichtet von den Höhen und Tiefen des Mönchslebens. Die unbedingte Disziplin sei sowohl Fluch als auch Segnung. Dadurch werde der Tag strukturiert. Dunkle Gedanken kämen gar nicht auf, da jede Minute verplant sei. Er habe große Gelassenheit und innere Ruhe erlebt, was manchmal zu tiefer Erkenntnis geführt habe.

 

Das Buch endet ernüchternd, denn allein zurück in Wilmersdorf begann wieder der ganz profane Alltag, der schleichend in sein Leben Einzug hielt.

 

Als ich 1978 von meinem ersten langen Aufenthalt am Yogainstitute Bombay zurückkam, war ich fest überzeugt, alle Probleme meiner Vergangenheit gelöst zu haben. In der Zukunft würden sowieso keine mehr auftauchen, „denn nun bin ich ja durch Yoga auf dem Pfad der Erleuchtung, der in Bälde zum Samadhi führt.“

Eine Woche nach der Heimkehr packte mich das Bedürfnis nach einem kühlen Bier. Es wurden zwei, und ich saß vollkommen desillusioniert zu Hause und dachte nur: „Was ist das denn, war alles umsonst?“

Als ich das Institut verließ, sagte Sri Yogendra, der Gründer: „Something is gained.“ Ich empfand das damals als recht ernüchternd, aber natürlich hatte er recht.

 

Was also dann, wenn diese Trainings und Retreats, kaum dass man zuhause ist, wieder im Alltag verschwinden?

Während unserer Ausbildung zu Yogalehrern im Yogainstitute sprach man nie von Meditation, sondern nur von „Conditioning“. Man wusste sehr genau, dass der Yogastudent oder generell der „Normalmensch“ überhaupt nicht fähig ist, zu meditieren. Die Meditation beginnt auf den letzten drei Stufen des Achtfachen Pfades des Yoga.

Sich konditionieren ist ein Prozess, den das Individuum zur Modifikation seiner Physis oder seines Denkens praktiziert.

Es bedeutet, dass man verschiedene Werkzeuge benutzt, um etwas bei sich zu verändern. Dies können natürlich Asanas, Atemübungen und dergleichen sein. Ich habe darüber in meinem Yogalehrbuch ausführlich geschrieben.

Im weitesten Sinn handelt es sich darum, eine bestimmte Sicht auf sich und die Welt zu verstärken. Man liest förderliche Bücher (Svadhyaya), die zum Nachdenken und zur Selbstreflexion führen. Wer bin ich, was ist der Sinn von all dem? Wo möchte ich hin? Welche Werte habe ich? Es ist die Beschäftigung mit den Yamas und Niyamas, ohne die keine Transformation möglich ist. Ohne Ethik geht nichts!

Es geht um ein immer wieder Innehalten: Staunen, wenn der erste Sonnenstrahl des neuen Tages über den Horizont scheint. Eine Rose betrachten, sie riechen, versuchen, sie ganz zu erfassen und durch die Wahrnehmung ihrer Schönheit die Vollkommenheit der ganzen Natur zu sehen. Das führt dazu, die Zusammenhänge zwischen den Dingen zu erkennen. Da kann der Gedanke wachsen: „Wenn alles zusammenhängt, dann gibt es auch keine Trennung zwischen mir und den anderen.“

 

Es ist ein ausdauerndes Kreisen um das Ziel, die Trennung vom großen Ganzen zu überwinden; also nicht irgendetwas zu lieben, sondern zu lieben. Dieses „dran bleiben“ nennen wir Abhyasa.

 

Sicher ist es nützlich, ein Retreat mitzumachen. Es ist ein Mosaikstein im ganzheitlichen Bemühen. Mehr aber nicht!

 

Ich werde manchmal gefragt: „Machst du denn immer noch regelmäßig Yoga?“ Die Antwort ist ein fröhliches: „Ja, jeden Tag, von morgens bis abends.“

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