„Yoga machen“

IMG_20230824_121442Als ich noch Yogakurse gab, fragten mich die Teilnehmer manchmal, ob ich wirklich jeden Tag Yoga „mache“? Man kennt das ja, da soll man jeden Morgen eine Stunde früher aufstehen, um Übungen zu machen und zu meditieren. Da denkt man dann schon ab und zu daran, liegen zu bleiben, „morgen ist ja auch noch ein Tag und da mach‘ ich es bestimmt wieder.“

Ich antwortete auf diese Frage immer, dass ich in jeden Moment „Yoga mache“. Erstaunen in der Runde: „Wie geht das denn?“

Das Missverständnis liegt darin, dass Yoga bei Vielen nur darin besteht, jeden Tag Körperübungen zu machen. Das ist nicht so. Die Asanas sind nur ein Teil des Achtfachen Pfades.

Yoga ist eine Daseinsform, eine innere Haltung, die sich in allen Lebensumständen äußert. Um das zu verstehen, muss man wissen, was das Wort Yoga bedeutet. Darin steckt das Wort Joch. Ein Joch verbindet. Ein Ochse ist durch das Joch mit dem zu ziehenden Wagen verbunden.

Yoga verbindet das Irdische mit dem Geistigen.

Eine kleine Geschichte mag verdeutlichen, was das bedeutet. Der Gott Shiva, Sinnbild für das ewige Werden und Vergehen, saß in tiefer Meditation auf dem heiligen Berg Kailash. Er ist vollkommen und in sich ruhend. Etwas Vollkommenes will nichts erschaffen und nichts verändern, denn – es ist ja vollkommen.

Aber – wenn nichts erschaffen würde, würde es die Welt nicht geben. So ist der zweite Aspekt von Shiva Shakti, der schöpferische Aspekt, bildlich dargestellt in seiner Gattin Parvati.

Während der Herr Gemahl in vollkommenem in sich Ruhen verweilte, wurde es ihr langweilig. Sie tanzte um ihn herum und mit jeder Bewegung erschuf sie neue Welten. Sie erfreute sich an dem, was sie erschaffen hatte und verlor sich immer weiter in der materiellen Welt. Schließlich blieb nur noch eine vage Erinnerung an ihren Gatten, der das ewig Unwandelbare symbolisierte. Diese schwache Erinnerung ist es, was aller Schöpfung inne wohnt. Sie treibt uns an, auf die Suche zu gehen, weil wir in stillen Momenten fühlen, dass da „noch was sein muss“. Der Geist erschafft die Materie, die letztlich zu ihrem Ursprung zurück finden muss.

Wir Menschen befinden uns in einer ähnlichen Situation. Wir rennen hier hin und da hin, beschäftigen uns mit allen möglichen Dingen und verfangen uns in Äußerlichkeiten.

Es geht uns wie dem Mann, der auf dem Weg zum Bahnhof ist. Er trifft unterwegs etliche Bekannte und lässt sich in Gespräche ein, beschäftigt sich wohl auch mit manchen Problemen, die an ihn herangetragen werden und als er dann schließlich am Bahnhof ankommt, ist der Zug abgefahren.

Erst dann wird ihm bewusst, dass er die Hauptsache, also das, weswegen er eigentlich unterwegs war, verpasst hat.

Yoga wurde entwickelt, um uns den Weg zurück finden zu lassen, uns wieder mit dem Geistigen zu verbinden.

Alle Techniken des Yoga sind gewaltfrei. Ahimsa, die Abwesenheit von Gewalt, ist das erste der Yamas, der ersten Stufe des Achtfachen Pfades.

Das Gegenteil von Gewalt ist mitfühlen, dankbar sein und letztlich eine liebevolle Haltung der Welt gegenüber.

Diese Haltung sollte unser Denken, Fühlen und Handeln bestimmen. Nur so finden wir den Weg zurück zum Ursprung.

Natürlich werden wir nie Perfektion erlangen. Solange wir leben, werden wir immer „auf dem Weg“, das heißt unperfekt sein.

Das ist aber auch nicht der Punkt. Wir haben unser Leben zu leben, wie es unser Karma bestimmt. Was einzig zählt, ist das, was wir damit machen.

Wenn wir unser Leben so ausrichten, „machen wir immer Yoga“.

 

 

 

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