Wenn wir als Kinder irgendetwas nicht essen wollten, hieß es: „Sei dankbar, dass du so was bekommst, die armen Kinder in Afrika wären dankbar dafür.“ „ Ja, ja“, murmelten wir dann leise vor uns hin, „die können das gerne haben, ich will’s nicht.“
Für etwas dankbar sein, erscheint uns vielleicht auch heute noch wie eine lästige Pflicht, gar eine Zumutung.
Haben wir uns nicht selbst bemüht, hart gearbeitet und gelernt, um dahin zu kommen, wo wir heute stehen?
In negativen Stunden ärgern wir uns, wenn wir zu hören bekommen: „Sei dankbar, wenn du leben darfst.“ Dann mögen wir denken: „Ja was, ich habe nicht darum gebeten. Meinetwegen hätten sie das damals ruhig bleiben lassen können.“
Ich glaube, es gibt zwei Grundhaltungen im Leben. Entweder wir leben im Forderungsmodus oder im Dankbarkeitsmodus.
Der erstere ist negativ. Es gibt immer etwas, was wir als Mangel empfinden. Sei es etwas, was unsere Person betrifft, wie mangelnde Schönheit, oder zu klein, zu dick oder nicht schlagfertig genug. Die Liste ist lang, wenn wir denn suchen.
Der Blick nach außen eröffnet vielleicht ein noch größeres Feld. Wir sehen Dinge, die Andere haben und wir nicht. Wir vergleichen uns und fühlen uns in dem und dem Punkt unterlegen oder nicht genügend.
Auch im größerem Zusammenhang gibt es vieles, was wir bemängeln könnten. Man denke nur an die gegenwärtige politische Situation. Unser Land wird von einer Truppe Dilettanten und Möchtegernen regiert, die es langsam an die Wand fahren. Das neueste Beispiel ist die Forderung des Vizekanzlers, sich beim Duschen zu beeilen. Die Industrie bereitet sich auf ein Herunterfahren der Produktion vor und das in einem der hoch industrialisiertesten Länder der Welt, das ausschließlich vom Export lebt.
Wenn wir unser Leben in diesem Modus verbringen, bringen wir uns um unser Lebensglück. Denn – es ist nie genug!
Anders ist es im Dankbarkeitsmodus. Er zentriert uns auf uns selbst und unser aktuelles Erleben. Der längst verstorbene Osho hat eine einfache Methode vorgeschlagen, mit der wir leicht mit dem aktuellen Moment Kontakt aufnehmen können. Ich nenne es „Innehalten“. Verharre zu beliebigen Zeiten einige Sekunden, indem du erstarrst, vielleicht in der Bewegung, auf alle Fälle in der Wahrnehmung. Werde dir deines inneren und äußeren Erlebens, so gut es dir möglich ist, bewusst.
Unzufriedenheit entsteht, wenn unsere Gedanken aus dem Hier und Jetzt abschweifen. Wenn wir „da bleiben“ haben wir die Chance, das Glück des Augenblicks wahrzunehmen. Sieh dir den Teller mit deinem Mittagessen an, halte inne und sehe, wie gut das schmecken wird. Schling nicht hinunter und daddle auf deinem Smartphone herum, sondern genieße den Bissen im Mund. Spüre die Luft, die dich umschmeichelt und höre den Gesang der Amsel vor deinem Balkon.
Die Welt ist nicht gut im landläufigen Sinne. Sie ist wie sie ist und fair, im Sinne des englischen Fair- plays, ist sie schon gar nicht.
Während meiner Zeit in Indien kam ich täglich an einem alten, weißhaarigen Mangoverkäufer vorbei. Er saß auf einer Holzkiste und hatte vor sich auf einem Sack einige der köstlichen Benaresmangos liegen. Sie galten als die saftigsten und süßesten. Der Preis dafür war nicht verhandelbar. Er saß den Tag über da und las Comics. Wenn er aufsah, lag ein leises Lächeln auf dem Gesicht und die Augen strahlten. Er schien glücklich.
Was könnte wichtiger im Leben sein als das?
Natürlich kann man auch glücklich sein, indem man Andere übers Ohr haut. Ich wage es bloß zu bezweifeln, dass die Augen dabei strahlen.
Im Karma-Yoga heißt es: „Sei tätig und frage nicht nach den Früchten deines Tuns. Handle so wie es die Situation verlangt, bleibe im Augenblick, sei konzentriert. Mehr kannst du nicht tun.“
Wenn es uns gelingt, diese Haltung mehr und mehr in unser Leben zu integrieren, bringt uns das an die Schwelle der Erleuchtung.