Schaun wir mal…

oznor
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Es gibt interessante Zusammenhänge zwischen Pädagogik, Religion und Politik, die ich hier etwas näher betrachten möchte:

In der Pädagogik gibt es grundsätzlich zwei Richtungen, nämlich die auf Selbstbestimmung und Eigenverantwortung basierende und die „schwarze Pädagogik“, deren Grundannahme ist, dass das Individuum geführt und geleitet werden muss. Am radikalsten wurde der erste Ansatz durch die Summerhill-Schule von A.S. Neil repräsentiert. Hier wurde davon ausgegangen, dass der junge Mensch von innen heraus zur Weiterentwicklung und zum Lernen gewissermaßen getrieben wird, wenn es individuell an der Zeit ist. Beispielsweise will kein Kind zurückstehen, wenn es sieht, dass Kameraden lesen können und es selbst das nicht beherrscht. Da man diesem Entwicklungsimpuls in Summerhill traute, konnte jedes Kind entscheiden, inwieweit es am Unterricht teilnahm.

In der humanistischen Psychologie und den darauf fußenden Therapiemethoden, wie Klienten zentrierte Therapie nach Carl Rogers oder Gestalttherapie nach Fritz Perls findet sich der selbe Ansatz.

Auch hier besteht die Aufgabe des Therapeuten darin, dem Klienten zu helfen, die inneren Blockaden wahrzunehmen, sie zu überwinden und sein Potential zu entwickeln. Rogers zum Beispiel lehnte Diagnosen mit dem Hinweis ab, dass nur der Klient selbst wisse, was er sei und wie er sein Leben gestalten könne.

Ganz anders ist der Ansatz der autoritären Pädagogik. Da hier davon ausgegangen wird, dass der Lehrende überlegen ist, lässt es sich kaum vermeiden, dass sich der Zögling, Schüler oder Klient dominiert oder im schlimmeren Fall diskriminiert empfindet, selbst wenn das nicht beabsichtigt ist.

In religiösen Gruppierungen wird dieses Moment noch deutlicher. Wie deutlich, hängt davon ab, wie „sektenmäßig“ die Gruppierung ist.

Definition: Eine Gruppe ist um so sektenmäßiger, je ausschließlicher sie von ihren Mitgliedern fordert, einen fest umrissenen Kanon von Glaubenssätzen zu befolgen.

Daraus folgt, dass ein Abweichen davon sanktioniert wird, was im äußersten Fall soweit gehen kann, dass das Verlassen der Vereinigung mit Gewalt unterbunden wird. Damit einher gehen Drohungen mit ewiger Verdammnis und Bestrafung vor einem letzten Gericht.

Das Ganze ist rational nicht zu durchdringen. Gegen das Argument der Führer, mit Gott in Kontakt zu stehen, kommt man nicht an, weil einem gesagt wird, man sei eben noch nicht so weit und müsse erst noch Gehorsam, Demut usw. entwickeln.

Wenn wir religiöse Gruppierungen ansehen, werden wir unschwer feststellen, dass zum Beispiel die evangelische Kirche weniger sektenmäßig ist als die katholische. Bei letzterer ist die Abhängigkeit von den Priestern und die Drohung mit dem Fegefeuer stärker ausgeprägt. Im Islam ist in manchen Teilen der Welt eine Konvertierung oder das Verlassen der Umma mit Lebensgefahr verbunden. Gegen „Gott will es“ ist man machtlos. Der Radikalität sind in diesem Feld keine Grenzen gesetzt. Es gab auch schon Sekten, die auf Anweisung des Führers kollektiven Selbstmord begingen. Außenstehende können das nicht mehr nachvollziehen, da ihr Weltbild weiter angelegt ist und sie für solche Glaubenssätze nicht greifbar sind.

In der (deutschen) Politik beobachte ich gegenwärtig ähnliche Tendenzen. Dem Normalbürger wird immer offensichtlicher die Fähigkeit abgesprochen, sich ein eigenes Urteil zu bilden und sein Leben nach eigenem Gusto zu leben. In ihrem neuen Buch „Die Selbstgerechten“ macht die Linkenpolitikerin Sarah Wagenknecht die, wie sie sie nennt, Lifestyle-Linken dafür verantwortlich. Zu finden sind sie im gesamten linken Lager von den SPD-Linken über die Links-Partei bis zu den Grünen. Die Verästelungen dieser Szene reichen in alle Schaltstellen der Medienlandschaft und des Wissenschaftsbetriebs und haben somit auch weitgehend die Kommunikation in der Hand.

Fast im Monatstakt werden hier Konzepte und Ideologien ausgestoßen: Die Sprache müsste vollkommen umgekrempelt werden. Die Nation soll einer bunten, nach allen Seiten offenen Gesellschaft weichen. Grenzen sollte es nicht mehr geben. Oberste Priorität in den nächsten Jahren hat der Klimawandel. Wer sich diesen Ansinnen entzieht oder anderer Meinung ist, wird ähnlich wie bei Sekten diskriminiert.

Das Ganze geschieht in einer Art, wie man es früher aus den Kirchen kannte: Oben stand der Priester, der mit dem absoluten Durchblick gesegnet war und wetterte auf seine unwissenden Schäfchen herab. Daher auch der Name Cancel-Culture für diese Politik.

Die Galionsfigur, die vor allem von den Hamburger Leitmedien der Szene Stern, Spiegel und Zeit aufgebaut wird, ist Annalena Baerbock, Kanzlerkandidatin der Grünen.

Die Zeit bringt den Tenor dieser Kampagne am deutlichsten mit der Frage, ob das Land schon für Annalena bereit sei zum Ausdruck.

Das tumbe Volk muss sich ggf. noch entwickeln, um seiner Lichtgestalt würdig zu sein. Wir hatten das schon einmal. Da ging einer von der Bühne mit dem Ausspruch, dass das deutsche Volk seiner nicht würdig war. Sein Abgang war von Trümmern begleitet.

Das Fatale an all dem ist, dass es wahrscheinlich irgendwann zu einem gewaltigen Back-Lash kommen wird, denn niemand lässt sich auf Dauer als ungebildet und „eben noch nicht so weit“ hinstellen.

Es hat in diesem Land seit dem Krieg eine Entwicklung gegeben, die man vor 75 Jahren nicht für möglich gehalten hätte. Aus einer militaristischen Gesellschaft mit Verachtung gegen Andersartiges, Stichworte Homosexuelle, Farbige usw, entwickelte sich eine friedliche Zivilgesellschaft mit Abneigung gegen Krieg und Diskriminierung.

Man täte gut daran, hier anzuknüpfen, anstatt die (selbstgerechte) Moralkeule zu schwingen. Aus Vorwurf und Schuld hat sich noch nie etwas Positives entwickelt.

 

 

 

 

 

 

 

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