Von Fahrrädern und Vorgärtnern

Am Anfang des Achtfachen Pfads des Yoga stehen die Yamas. Sie bilden die ethische Grundlage. Ohne sie wäre Yoga eine Art der Körperertüchtigung unter anderen. Das wichtigste der Yamas ist Ahimsa, das bedeutet Abwesenheit von Gewalt. Die folgenden vier Yamas sind Satya (Wahrhaftigkeit), Asteya (etwas zu nehmen, was einem nicht gehört), Brahmacarya (Zügelung ausschweifenden Verhaltens) und Aparigraha (Fehlen von Habsucht).

Selbst wenn man meint, immer die Wahrheit sagen zu müssen, ist das zu unterlassen, wenn es Andere verletzt. Besser ist es in so einem Fall, zu schweigen. Es gibt viele Arten der Gewaltausübung. Manche kleiden sich in das Mäntelchen der Fürsorge. Manche dienen dazu, sich über Andere zu stellen, auch wenn man vorgibt, ihnen helfen zu wollen: „Was bin ich doch für ein guter, hilfsbereiter Mensch. Ich sorge mich um Menschen, Tiere und Umwelt.“

Heute war zu lesen, dass der langjährige Vorsitzende des ADFC (Allgemeiner deutscher Fahrradclub) von Dreieich, einer Ortschaft in der Nähe von Frankfurt, zurücktrat und auch den Verein verlassen wird. Seine Begründung: „Das ist nicht mehr die Art Verein, wie ich ihn mir vorstelle.“ Er habe immer für bessere Radwege in Kooperation mit anderen Verkehrsteilnehmern plädiert. Anlass war eine geplante Sternfahrt des Clubs nach Frankfurt zur IAA. Seiner Meinung nach führe das zu immer schärferer Konfrontation zwischen Autofahrern und Radfahrern. Er verurteilte auch die Hetze gegen sogenannte SUVS. Davon gebe es kleine und große.

Mal ehrlich, welcher Radfahrer ist nicht gleichzeitig auch Autofahrer? Ich habe Deutschland vom Bodensee bis an die Nordsee mit dem Fahrrad durchquert, aber deswegen bekämpfe ich doch nicht die Autos, die ich ja zu anderen Zeiten benutzen muss. Das ist nicht lauter.

Ein weiteres Beispiel: In unserer Kreisstadt existiert eine Vorgartensatzung.Vorgärten seien zu begrünen. Nun ist zu beobachten, dass sich manche Hausbesitzer die Pflege dieses Grünstreifens sparen und stattdessen Kieselsteine hinschütten lassen, aufgelockert durch einige Pflanzen und Drahtskulpturen. Über Geschmack kann man nicht streiten und schließlich gehört einem das Grundstück ja auch. Was aber schlägt ein Vertreter der SPD im Stadtrat vor? Man solle doch auf die Nachbarn des „Übeltäters“ einwirken, dergestalt, dass sie ihn dazu bringen, seinen Steinbruch wieder abzubauen.

Man kann sich unschwer vorstellen, dass es dem Frieden und der guten Nachbarschaft nicht zuträglich ist, wenn der eine den anderen beaufsichtigt. Im Dritten Reich gab es die Hauswarte und Blockwarte, die die Bewohner bespitzelten. Auch die DDR und alle anderen Diktaturen kennen diese Methoden. Allen ihnen ist gemein, dass sie nicht gewaltfrei sind. Sie fördern die Angst und aus Angst entsteht Aggression und Widerstand.

Verhaltensänderungen, die auf Zwang beruhen, sind nicht von Dauer und haben schädliche Nebenwirkungen. Selbst wenn das eigene Verhalten verändert wird, weil man sich gezwungen sieht, ist das für die betreffende Persönlichkeit negativ, weil tief drinnen der Groll schwärt.

Die bekanntesten Beispiele sind die militanten Exraucher und die, die dem Alkohol abgeschworen haben: „Was ich nicht mehr haben darf, sollst auch du nicht mehr genießen.“

Im Moment haben wir starke Tendenzen zu Zwang und Besserwissereien in diesem Lande. Dies wird auf Dauer nicht zu friedvollem Miteinander führen.

Der Weg ist das Ziel. Für mich als Yoga Praktizierendem ist klar, dass der Zweck eben nicht die Mittel heiligt. Selbst wenn meine Ziele meiner Meinung nach zum Wohle der Menschheit oder der Tiere oder der Natur oder sonst was führen, muss der Weg dahin von den Yamas bestimmt sein, sonst ist das alles nicht von Wert.

Von Brecht stammt der Text „An die Nachgeborenen“

„Dabei wissen wir ja:
Auch der Hass gegen die Niedrigkeit
Verzerrt die Züge.
Auch der Zorn über das Unrecht
Macht die Stimme heiser. Ach, wir
Die wir den Boden bereiten wollten für Freundlichkeit
Konnten selber nicht freundlich sein.

Ihr aber, wenn es soweit sein wird
Dass der Mensch dem Menschen ein Helfer ist
Gedenkt unsrer
Mit Nachsicht.“

Wir wissen inzwischen, wie das große Menschheitsexperiment Sozialismus ausging. Es hinterließ Millionen Tote.

Er war sich bewusst, dass der Zorn beim Kampf um hehre Ziele schädlich ist. Aber er glaubte, ihn in Kauf nehmen zu können.

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