Kurven

Ich höre unter der Dusche gerne You Tube. Unser aller Freund, die Firma Google, kennt mittlerweile meinen Geschmack und unterbreitet mir in ihrer unendlichen Fürsorge jeden Tag neue Vorschläge, entsprechend meinem Musikgeschmack. So auch heute morgen, da wurde mir Jefferson Airplane mit ihrem bekanntesten Hit „Somebody to Love“ präsentiert.

Keine andere Band, außer vielleicht The Mamas and the Papas, repräsentiert den Sound der Hippie- Ära so wie sie. Wir waren damals bis ins Mark erschüttert, wenn ihre Sängerin Grace Slick los röhrte. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen, wie das reinhaute.

Ich sah mir das Video natürlich an und konnte nicht umhin, etwas zu lächeln. Es wirkte so unschuldig. Die Typen sahen auf ihre Gitarren und hampelten etwas unbeholfen herum und Grace, züchtig gekleidet mit Fransenrock bis unter die Knie, wedelte ab und zu etwas mit den Armen.

Heute ist das anders. Wenn heute die Sängerinnen in ihren Promotionvideos auf MTV und anderswo oder auf der Bühne auftreten, dann ist das oft eine Mischung aus Lapdance und Porno. Da werden dem Zuschauer die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale der Protagonistinnen förmlich um die Ohren gehauen.

Nicht dass mich das jetzt sonderlich stören würde, schließlich bin ich ein Mann. Mich stört etwas ganz anderes, nämlich wenn etwas nicht ehrlich ist, sondern verlogen.

In den Medien echauffieren sich engagierte Frauen zwischendurch immer wieder mal darüber, dass bei Politikerinnen öfters über die Kleidung und das Aussehen berichtet wird. Da heißt es dann: „Sie trug ein Kleid von Gucci Mucci und die Schuhe waren von Ledermachi.“ Das sei einfach so nicht hinnehmbar, denn dadurch würden die Frauen auf ihr Äußeres und ihren Körper reduziert und das, was sie inhaltlich äußerten, wäre sekundär. Man solle doch gefälligst dann auch über die Kleidung der Männer berichten. Gott sei Dank blieb uns das bisher erspart.

Jeder mit auch nur ein bisschen Lebenserfahrung weiß, dass Frauen sich sehr viel mehr über ihren Körper definieren als Männer. Eine ganze Mediensparte lebt davon, über Kleidung, Körperpflege und Accessoires zu berichten. Als meine Töchter noch klein waren, nahm ich sie gerne mit in meine Werkstatt, um sie auch mit sogenannten männlichen Bereichen des Daseins bekannt zu machen. Das wurde ein bisschen goutiert, aber ihr Herz wandte sich in recht kurzer Zeit den sogenannten weiblichen Interessensparten zu. Ich sehe das als natürlich an ( siehe der Artikel vom 27.9.2018, Animus und Anima oder die Vertreibung aus dem Paradies).

Der Vorteil eines langen Lebens ist, dass man Zeuge vieler Moden, Trends und sich immer wiederholender Strömungen wird.

Als junger Erwachsener sagte man bei uns noch „darf ich bitten“ beim Tanzen, auch in den Beatschuppen. Man half den Mädchen in den Mantel, hielt ihnen die Türe auf und ließ ihnen den Vortritt. Dann kam eine Zeit, da erntete man für so was ein unwirsches „das kann ich schon alleine“. Das war die Zeit, in der Mädchen Bergmann und Maurer und Automechaniker lernten (an Bergfrau dachte man damals noch nicht).

Auf Hochzeiten in Weiß legte man keinen Wert, weil es „bürgerlich“ sei. Man feierte in einer Kneipe in Alltagsklamotten und bei Gulaschsuppe.

Dann kam ein Regisseur namens Carlos Saura und sein Film Carmen und alle waren hingerissen von der Leidenschaft, die da zwischen Mann und Frau wieder zelebriert wurde.

Inzwischen heiratet man wieder in Weiß und gibt ein Vermögen für die Feierlichkeiten aus. Auch kirchliche Trauungen sind wieder richtig in.

In der Hippiezeit liefen die Frauen ohne BH in Wallewallekleidern herum. BH war bürgerlich. Freiheit für alles war die Devise. „Let it swing!“

Inzwischen ist die Form der Kleidung bei Frauen völlig frei. Sie reicht von burschikos bis elegant.

In den 60er Jahren lehnte man in progressiven Kreisen jede Verführung durch Kleidung und andere Äußerlichkeiten ab. Die inneren Werte sollten (an)erkannt werden.

Jetzt wird sehr freizügig mit sexy Outfit und Aussehen gearbeitet und die Wirkung wird in dem ganzen Spiel mit einberechnet. Wenn dann das Resultat nicht wunschgemäß ist, werden die missachteten „inneren Werte“ hervorgekehrt. Wie’s halt so passt.

Manche werden sich noch an den FDP-Politiker Rainer Brüderle erinnern. Der soll zu einer Sternreporterin im Dirndl gesagt haben: „Sie können ein Dirndl aber auch ausfüllen.“

Nun, jedem ist bekannt, was ein Dirndl ist und jeder weiß auch, wo der Fokus bei diesem Kleidungsstück liegt und es soll mir keine Frau weiß machen, dass ihr das nicht bewusst ist. Vielleicht war der Herr Brüderle ein bisschen tollpatschig, aber bestimmt nicht so, dass die Dame nach einem Jahr(!) sexistisches Verhalten monieren könnte.

Dann darf man halt kein Dirndl anziehen. Ich schlage den inzwischen von progressiven Linken favorisierten Hidschab vor. Da ist Frau dann auf der sicheren Seite.

Inzwischen nehmen sich Frauen Dinge gegenüber Männern heraus, die im umgekehrten Fall zu massenhaften Klagen über sexistische Sprüche führen würden. Man sehe sich nur einmal in den weiblich dominierten Kabarettsendungen um.

Manchmal werde ich das Gefühl nicht los, dass inzwischen die Männer vor Sexismus, vor allem im Beruf, geschützt werden müssten.

Fazit: Jeder setzt das ein, was er hat. Innere Werte, äußere Attribute, Muckis und Möpse. Das ist natürlich. Dazu kann man stehen. Das ist beim balzenden Auerhahn und der Auerhenne auch nicht anders. Aber – der Auerhahn würde es nie am nötigen Respekt vor der Henne fehlen lassen. Das ist es, was bei dem ganzen Spiel zählt. Umgekehrt übrigens genauso.

Da wir hier gerade bei einem Geschlechterthema sind, noch ein paar Bemerkungen zur Sprache. Ich finde die genderisierte Sprache, die bei uns durchgedrückt werden soll, schlicht eine Verhunzung unserer Muttersprache.

Ob man als Mann Respekt vor Frauen hat, drückt sich nicht darin aus, dass man Bürgerinnen und Bürger sagt. Man kann „Sie Schwachkopf“ oder „Du Schwachkopf“ sagen. Der Inhalt bleibt der Gleiche. Nichtachtung kann auch stattfinden, wenn man ständig mit er/sie oder mit Pünktchen und Ausrufezeichen arbeitet. Deshalb wird man diesen Unsinn hier nicht finden, liebe Leserin. Aber, seien Sie versichert, das hat nichts mit Nichtachtung zu tun.

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