Yoga und Psychotherapie Teil 2

Wir haben in dem Beispiel gesehen, wie neurotische Störungen entstehen können. Ich habe eine mögliche Auswirkung geschildert. Allerdings spielen viele Faktoren mit, wie sie sich äußern könnten. Das Reservoir der Psyche ist unerschöpflich.

Als ich vor Jahren sechs Wochen zu einem „Refresher“ im Yogainstitut war, ergab sich die folgende Situation. Zu der Zeit waren zwei Frauen aus Deutschland im Women’s Hostel und ein junger Inder und ich im Men’s Hostel. In dieser kleinen Gruppe von Residentials herrschten erhebliche Spannungen. Alle waren starke Charaktere und grundverschieden. Die beiden Frauen konnten sich nicht ausstehen und zwischen uns beiden Männern gab es auch Konflikte. Schließlich bildeten sich zwei Untergruppen, die miteinander konnten. Wir hatten jeden Tag miteinander zu tun. Wir trafen uns zum Essen, beim Karma Yoga und bei den Lectures. Das Leben machte einfach keinen Spaß, weil die ganze Atmosphäre eisig war. Ich war schon drauf und dran, das Institut zu verlassen, um in den Süden in einen anderen Ashram zu gehen.

Ich sprach Dr. Jayadeva, meinen Guru, darauf an und bat ihn um Vermittlung. Am Nachmittag saßen wir dann zu fünft in dem kleinen Raum neben dem Office.

Jeder konnte seine Beschwerden vorbringen. Wenn wir jetzt erwartet hatten, dass er in klassischer Manier unsere Klagen aufnehmen würde, sie verbalisieren und vermitteln würde, so hatten wir uns getäuscht.

Vielmehr warf er uns auf uns selbst zurück. Ahimsa, die Abwesenheit von Gewalt sollten wir praktizieren. Yogasutra II, 34 sagt, dass negative Gedanken Gewalt und Leid produzieren. Also soll man positive Gedanken denken. Karma Yoga bedeutet Handeln, ohne nach den Früchten zu fragen. Wenn wir also unsere Aufgaben konzentriert wahrnehmen würden und in Demut keine unmittelbaren Ergebnisse erwarteten, dann werde sich eine Lösung einstellen.

„Sonst noch etwas?“ Sein Blick in die Runde nahm eine recht in sich gekehrte Gruppe wahr.

An diesem Beispiel wird der Unterschied zwischen Yoga und Psychotherapie deutlich. Grundsätzlich beginnt Yoga dort, wo Psychotherapie aufhört. Ich erwähne den Begriff „grundsätzlich“ bewusst, denn natürlich kann es hilfreich sein, bei Prozessen der Aufarbeitung von Vergangenem, des Einübens von neuen Verhaltensweisen und des Bewusstmachens von alten Strukturen, Elemente des Yoga einzubauen, die die Achtsamkeit unterstützen.

Deutlich wird es, wenn wir uns Asanas, Pranayamas und Meditationstechniken ansehen. Im normalen Dasein bewegen wir uns, wie es uns gerade gefällt. Beim Atem ist es genauso. Nicht so bei den Asanas. Hier wird bewusst „Stop“ gesagt. Die Bewegung kommt zum Stillstand. Leben heißt Bewegung, Wandel, sowohl psychisch als auch körperlich. Die Asana ist statisch. Der Fluss des Wandels wird bewusst unterbrochen. Damit sagt der Yogi nicht mehr und nicht weniger: „Ich steige aus dem Leben aus!“

Wir sprachen schon oft über die Gunas Rajas, Tamas und Sattva, die drei Grundwesenheiten, aus denen die Materie und damit auch wir bestehen. Wir sagten, dass sie in unaufhörlicher Bewegung sind. Entsprechend unserem Thema sind wir in einer Minute wütend, dann wieder gedämpft, dann mal ausgeglichen und zufrieden, bis uns einer schief ansieht, dann geht alles wieder von vorne los. Unsere Gefühle sind wie der Wind, der über einen Teich streicht und ihn mal mehr, mal weniger bewegt. All das ist ein Synonym für Leben. Wenn wir den wahren Menschen(Purusa) erkennen wollen, muss der Teich vollkommen ruhig sein. Nur dann ist der Grund erkennbar.

Bei den Pranayamatechniken, die über die Atmung ablaufen, ist es das Gleiche. Wir wissen, dass die Atmung den Gedanken und Gefühlen folgt. Sind diese ruhig, so ist auch die Atmung ruhig und vice versa. Pranayama reguliert die Atmung, verlangsamt sie und bringt sie nahezu zum Stillstand.

Auch hier wieder der Ausstieg aus dem Normalen.

(wird fortgesetzt)

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