Existenz

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Einer der wenigen Vorzüge des Alters ist, dass man über eine längere Strecke zurückblicken kann als Jüngere. Vor fünfzig Jahren sah die Welt und die Sicht auf die selbige ganz anders aus. Den Begriff „Umwelt“ gab es nicht. Politisch war der Weg klar. Er ging zu immer mehr „Demokratie wagen“, wie Willy Brandt sagte. Alle machten sich mit Blumen im Haar auf den Weg nach San Francisco, auch wenn das nur ein Hippieschuppen in der nächsten Stadt war.

Die Welt war im kalten Krieg, aber man vertraute auf das Gleichgewicht des Schreckens zwischen den beiden Großmächten.

Damals konnte man auch noch ganz einfach den Entschluss fassen, nach Afghanistan oder durch Nordafrika zu fahren. Man konnte unbesorgt im Schlafsack am Straßenrand übernachten. Das einzige, was passierte war, dass morgens einige Dorfbewohner um einen herum standen.

Auch die folgenden zwei Jahrzehnte waren sorgenlos. Dann ging es langsam los. Den Beginn bildete das Waldsterben. Die Angst kam auf, dass in einigen Jahrzehnten nur noch traurige Baumgerippe in einen schwefligen Himmel ragen würden. Als ich Ende der Siebziger meinen Garten anlegte, holte ich mir aus einer nahe gelegenen Landkommune einen Berater. Er sagte damals, wenn die Böden weiter verdichtet würden, würde in zwanzig Jahren das Bodenleben zerstört sein und nichts mehr wachsen. Das wäre jetzt vor zwanzig Jahren gewesen.

Der Wald steht noch. Die Felder sind immer noch fruchtbar und das Ozonloch hat sich mittlerweile wieder geschlossen. Wir haben den Rinderwahnsinn überstanden. Mittlerweile wird von der Rückkehr der großen Seuchen, wie der Pest und der Tuberkulose geredet. Inzwischen haben wir die Feinstaubbelastung durch die Diesel in den Städten und die USA und Russland rüsten wieder auf. Inzwischen mischen die Chinesen auch noch mit.

An eine Fahrt nach Afghanistan denkt keiner mehr und durch Nordafrika würde ich auch nicht mehr fahren. In der Stille der Sahara lauern die Islamisten und nicht nur dort. Die schönen Buddha- Statuen von Bamiyan wurden von den Taliban in sinnloser Verblendung zerstört.

Fast hätte ich jetzt den Klimawandel vergessen.

Über den Menschen schwebt das Damoklesschwert der Vernichtung. Wie damit umgehen? Sollen wir uns der Angst hingeben oder dem Zynismus? Beides tut unserer Seele nicht gut.

Ein Zenmeister wurde einmal gefragt, was denn der Unterschied zwischen einem Nichterleuchteten und einem Erleuchteten sei? Die Antwort: „Der erstere steht morgens auf, putzt sich die Zähne und geht zur Arbeit und der Erleuchtete steht morgens auch auf, putzt sich die Zähne und geht zur Arbeit…“ „Kapiert?“

Ich bin neulich nach Jahrzehnten mal wieder auf den Existentialismus gestoßen, auf Namen wie Sartre und Camus. Hier wird ganz deutlich ausgesprochen, dass wir in einer absurden Welt leben, in einer sinnlosen Welt. Wir fragen ob der ganzen Katastrophen und des nie endenden Leidens sowohl bei uns selbst als auch in der Welt, warum? Was hat das für einen Sinn? Die Halbreligiösen klagen Gott an und schleudern ihm das „Warum?“ entgegen. Ich gebrauche diesen seltsamen Ausdruck deswegen, weil die wahren Gläubigen in allem den „Willen des Herrn“ sehen.

Die Welt gibt keine Antwort und Gott auch nicht! Das ist Fakt und das ist zu akzeptieren. Es geht somit um das Aushalten der Verzweiflung ohne zu verzweifeln und die Akzeptanz der Abwesenheit jeder Hoffnung. Nur wer die Hoffnung aufgibt, ist frei, sagt Camus. Der Existenzialist existiert von Moment zu Moment. Er beklagt nicht die Absurdität des Weltgeschehens und wird dadurch frei. Das hat nichts mit Resignation zu tun.

Was uns unglücklich macht, ist der verzweifelte Versuch, die Absurdität der Welt zu verstehen und die Hoffnung, dass wir irgendwann eine, unsere Vernunft befriedigende Antwort bekommen.

Hier treffen wir wieder auf das Zen, wie in dem obigen Beispiel gezeigt. Der Unterschied liegt nicht im Tun, sondern darin, dass der Erleuchtete zwar dasselbe tut, aber ganz und ausschließlich. Auch der Buddha warnte seine Jünger davor, nach Erklärungen für das Dasein zu suchen.

Der berühmte Volksmund weiß ebenfalls Rat: „Lebe jeden Moment als wenn es dein letzter wäre!“ Im Yoga kennen wir die Technik des Karma – Yoga: „Handle, ohne nach den Früchten zu schielen.“ Wir sind in eine Welt geboren, die wir nicht verstehen. Wandel findet in jeder Sekunde statt. Die Frage, warum das so ist, bringt uns nicht weiter, also sollten wir aufhören, sie zu stellen. Das heißt nicht, dass wir mit allem einverstanden sein müssten. Wenn wir aufgrund einer dieser Wandlungen anderer Meinung sind, ist es vernünftig, dagegen zu kämpfen. Es ist jedoch nicht vernünftig, zu fragen, warum das überhaupt passiert. Es passiert eben! Nennen wir es Karma oder Schicksal oder Fatum oder sonst was.

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