Dieses Land ist verrückt geworden. Anders kann man das, was einem täglich vor Augen und Ohren kommt, nicht mehr bezeichnen.
Als ich heute an einer OMV Tankstelle vorbeifuhr, entdeckte ich ein Schild, worauf stand: „We care more“. Ich lasse gerade, während ich dies hier schreibe, die Einwohner meines Dorfes und der Nachbardörfer vor meinem inneren Auge Revue passieren und stelle fest, dass die Generation ab fünfzig ziemlich sicher nicht versteht, was da steht.
Als meine Schwiegermutter noch lebte, sie starb vor ein paar Jahren, fragte sie ihre Tochter mal: „Du, was heißt eigentlich Sale?“ Wobei sie das Wort so aussprach wie es hier steht.
In Deutschland wird man von Points überflutet. Da gibt es den Bratwurstpoint, den Schnitzelpoint, Manuelas Haarpoint usw. In der Heimat der Angelsachsen habe ich keinen einzigen Point gesehen.
Gerade las ich, dass der Vater einer irakisch stämmigen fünfzehnjährigen Essenerin gegenüber einer Apothekerin, die das Mädchen als Auszubildende annehmen wollte, und sie anwies, während der Arbeitszeit das Kopftuch abzunehmen, unflätig und ausfällig wurde und natürlich den allfälligen Rassismusvorwurf anbrachte. Es nützte der Frau nichts, dass sie erwähnte, dass sie bislang ohne Probleme türkisch – und marokkanisch stämmige Auszubildende hatte. Sie gilt jetzt als Rassistin. Als ich das erste Mal am Yogainstitut in Bombay war und mich im großen Bhavan an den Asanas beteiligte, zog ich mein T-Shirt aus, weil es schlappe 35 Grad heiß war. Dr. Jayadeva, mein Guru, forderte mich auf: „Cover your body.“ Natürlich fügte ich mich, da es den Gebräuchen des Landes entsprach, sich nicht zu entblößen. Manche Neuzugänge in unserem Land verlangen, dass wir uns ändern und anpassen und unsere Nomenklatura stimmt ihnen auch noch zu und bestärkt sie.
Wenn jetzt einer meiner Leser das Gefühl hat, dass der Schreiber dieser Zeilen heute mal richtig sauer ist, so hat er recht. Das kommt auch bei Yogalehrern, Philosophen und ähnlichem Gelichter ab und zu vor.
Meine Meinung ist, wer sich irgendwo bewirbt, hat sich den Gepflogenheiten des Arbeitgebers anzupassen. Sämtliche Angestellten der katholischen Kirche würden entlassen, wenn sie sich entschließen sollten, sich scheiden zu lassen und in wilder Ehe mit neuen Partnern zusammen zu leben. Da regt sich nur im Einzelfall einer darüber auf.
Eine Moderatorin des ZDF fordert, dass der Duden das Wort „Heimat“ modifiziert. Das gäbe es nicht mehr. Man könne nur noch von Heimaten sprechen.
Die Klamottenfirma Tom Tailor wünscht: „Stay warm.“ In einem Geschäft ein paar Straßen weiter erfahre ich, dass ich beim Kauf eines Strickstyles einen zweiten mit 30% Rabatt dazu bekomme. Ich kannte bisher nur Stricknadeln, Strickpullover. Keine Ahnung, was Strickstyles sind. Der zweite Teil des Wortes scheint englisch zu sein. Ich kann aber trotzdem keinen Engländer fragen, weil der den ersten Teil „Strick“ nicht kennt.
Die Firma Högl Sports fordert mich auf: „Raise your body!“
Wir sind mitten in der Stadt von Outlets umgeben. Eigentlich sind das Läden im Einfachststil auf der grünen Wiese, weil es dort billiger ist.
In bäuerlicher Umgebung, das heißt mitten in der Pampa, finden sich in den Siedlungen toskanische Villen, manchmal auch ein Giebelhaus mit dorischen Säulen vor der Türe. Die Vorgärten sind mit Drahtfiguren von Discountern voll gestellt, ab und zu steht auch noch ein alter Kochherd vor der Tür. Alte Rechen und Schaufeln finden wir auch am Gartenzaun. Das entspringt dem diffusen Gefühl der Entwurzelung vom Alten und von der eigenen Tradition. Es wirkt aber nur hilflos und lächerlich.
Dieses Land ist dabei, sich und seine Mitte zu verlieren.