Quo vadis Afrika?

Als ich Kind war, erzählte uns unser Lehrer von Albert Schweitzer, der in den Urwald gegangen war, um zu helfen, nachdem er in seiner Heimatstadt Colmar im Elsass von den traurigen Augen eines kleinen Negerkindes auf einem Plakat angerührt war. Er studierte Medizin und gründete das Urwaldhospital in Lambarene, Gabun. Auch wir wollten damals alle den kleinen Negerkindern helfen.

Heute, mehr als sechzig Jahre später schauen uns immer noch traurige Augen von armen schwarzen Kindern an (man sagt jetzt nicht mehr Negerkinder).

Als ich noch Lehrer an einer Fachakademie für Sozialpädagogik war, veranstaltete ich einen Afrikatag. Wir kochten afrikanisch und es gab verschiedene Referate. Ich hatte auch einen Journalisten aus Togo eingeladen, der uns Informationen aus erster Hand geben sollte. Irgendwann, sehr zaghaft und höflich kam die Frage, warum Afrika nicht so richtig hochkomme, so wie z.B. asiatische Länder. Nach einigem Nachdenken und Zögern, schließlich wussten alle, wie heikel diese Frage war, antwortete er: „Es wird wohl so sein, dass wir Schwächen im Punkt Organisation haben.“ Man fragte nicht weiter, um ihn nicht zu beschämen.

Heute haben wir die Situation, dass sich Zehntausende Schwarzafrikaner aufmachen, um über das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Man bezeichnet sie als Flüchtlinge, was aber nur zum Teil stimmt. In der Hauptsache handelt es sich um Menschen, die ihre Heimat verlassen, weil sie bessere Lebensbedingungen suchen. Das ist legitim und ich würde das genau so machen. Nun sind das alle keine armen Menschen, die da kommen. Um die Reise antreten zu können, müssen mehrere Tausend Euro aufgebracht werden. Mit diesem Geld ließe sich zuhause eine Existenz aufbauen, aber man hat die Hoffnung, dass es hier noch viel mehr gibt. Selbst auf Harz vier Niveau ist es ja viel mehr, als man zuhause je bekommen könnte. Das alles ist sehr verständlich.

Langsam allerdings wächst die Einsicht, dass dieser nie abreißende Strom das Maß des Machbaren sprengt.

Was also tun? Da werden jetzt Verhandlungen mit Libyen geführt, dass die dort ihre Küstenwache aufrüsten und für uns die Menschen aufhalten, weil wir uns scheuen, uns die Finger schmutzig zu machen, weil wir ja so humanistisch sind. Man spricht von Auffanglagern in Libyen, auch der neue französische Präsident spricht davon. Zurzeit ziert man sich noch, weil dort so schreckliche Zustände herrschen würden.

Viel vornehmer, angefangen bei der Bundeskanzlerin, ist es, davon zu sprechen, den armen Ländern zu helfen, dass die Menschen dort bleiben können. Sie will, man höre und staune, dafür 300 Millionen locker machen. Darüber würden die Griechen nur müde lächeln. Ich auch!

Machen wir einmal einen kurzen Abstecher in die Psychotherapie. Als Therapeut habe ich immer wieder erlebt, dass Klienten zu mir kamen, mich fordernd angesehen haben und erwarteten, dass ich ihnen sage, was sie tun sollten, schließlich hatten sie ja dafür bezahlt. „Was soll ich tun?“ „Das musst du selbst herausfinden.“ „Ja, aber du bist doch der Fachmann.“ Usw..

Der „Erfinder“ der klientenzentrierten Psychotherapie Carl Rogers sagte, dass wir Menschen sehr genau wissen und spüren, wie wir unsere Probleme zu lösen hätten, aber wir haben tiefe Ängste, da heran zu gehen, weil wir dabei an Schichten stoßen würden, die wir vor uns am liebsten verbergen würden, weil sie zum Beispiel zu schmerzhaft wären. Er sagte: „Jeder Mensch hat ein Recht auf seine Probleme.“ Warum? Weil sie das Potential in sich tragen, in uns Veränderungen hin zu innerem und äußerem Wachstum zu bewirken. Wenn der Therapeut bei der fordernden Haltung der Klienten den Fehler macht, für sie nach Lösungen zu suchen, dann haben beide verloren, weil das ein Fass ohne Boden ist. Was immer er auch vorschlägt, der Klient wird stets ein Haar in der Suppe finden, weil er eine meist unbewusste Scheu hat, sich zu verändern. Es sollte am besten alles beim Alten bleiben, aber ganz anders. Das ist die Quadratur des Kreises. Worin besteht also meine Aufgabe als Therapeut? Ich muss dem Klienten eine angstfreie Umgebung schaffen, dass dieser es wagen kann, an seine tief vergrabenen, Angst machenden Schichten zu gehen, um so in sich die Lösung zu finden, die er schon lange weiß, sie aber nicht wahrnehmen kann.

Was für Individuen gilt, gilt auch für Gruppen, Länder und Völker.

Kehren wir wieder zurück zur geplanten Hilfe für Afrika, damit die Leute dort bleiben. Allein im Jahre 2007 wurden ca. 37 Milliarden Dollar für afrikanische Länder gezahlt. Multipliziert man das mit mindestens 30 Jahren, erhält man eine Summe, die man nicht mehr aussprechen kann. Und immer noch sehen mich die armen, schwarzen Kinder… Entwicklungsexperten sind sich heute weitgehend einig, dass die bisherige Form der finanziellen Hilfe nichts bringt. Sie schadet nur, weil sie die herrschenden Klassen in den einzelnen Ländern an der Macht hält. Seit Jahren sagen namhafte afrikanische Experten, man solle die Entwicklungshilfe ganz streichen, weil sie das Gegenteil erreicht von dem, was geplant war.

Insofern ist es nicht begreifbar, warum man jetzt wieder davon als Lösung für die Migrantenströme spricht. Afrika hat anderes Denken und andere Strukturen.

Ein Beispiel: Als aus dem ehemaligen Rhodesien das heutige Simbabwe wurde, war es ein wohlhabendes Land. Dann übernahm Robert Mugabe, der Ex – Rebellenführer die Regierung. Inzwischen ist Simbabwe eines der korruptesten und ärmsten Länder Afrikas. In einem Interview wurde ein Bürger gefragt, wie er darüber denke, dass Mugabe und sein Clan alles an sich reiße? Die Antwort lautete: „Er ist der Chief, es gehört ihm sowieso.“

Wir haben dort immer noch Stammesstrukturen und wenn in Kenia ein Kikuyu als Präsident an der Macht ist, dann wird zuerst dieser Stamm protegiert.

Wie auch immer, die Situation ist weit komplexer, als ich sie auf den zwei Seiten darstellen könnte.

Es bedarf schon sehr viel Phantasie, sich vorzustellen, dass hunderttausend Afrikaner in Deutschland integriert werden könnten. Aber man denkt über Lösungen nicht richtig nach. Es ist menschenverachtend, wenn man immer noch zulässt, dass Tausende in wackligen Booten übers Mittelmeer kommen. Ebenso ist es ein Unding, einen staatlich organisierten Transfer nach Deutschland einzurichten, wie es die Grünen fordern.

Warum also nicht endlich ehrlich sein und Auffanglager errichten, in denen vor Ort entschieden werden kann, ob Aussicht auf Asyl besteht oder nicht. Mit all den nutzlos ausgegebenen Milliarden könnte man sichere und komfortable Topeinrichtungen schaffen. Und, man könnte sogar den Abgewiesenen den Rücktransport samt einer Starthilfe für zuhause gewähren.

Ich glaube, dass man sich einfach nicht traut, rational und effektiv zu handeln. So wurstelt man vor sich hin zwischen Kirchenasyl, Krokodilstränen über ertrunkene Menschen, heimlichen Absprachen mit libyschen Warlords und Besichtigungstouren nach Lampedusa, wo man trefflich über die unhaltbaren Zustände lamentieren kann. Europa hätte die Ressourcen, es besser zu machen.

Es ist wie in einer Einzeltherapie. Wenn man nicht deutlich macht, dass die Lösung der eigenen Probleme aus dem betreffenden Land selbst kommen muss, werden unablässig Forderungen und Menschen kommen.

 

 

 

 

 

 

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