Von den Dogmatikern der Religionsgemeinschaften war in der Vergangenheit immer wieder der Vorwurf zu hören, dass sich jeder seine eigene Religion zurechtlege. Es werde unbekümmert der Glaube an Karma mit den Weisheiten der Hopis und den Jenseitsvorstellungen der alten Ägypter gemischt, garniert mit dem tausendjährigen Mayakalender.
Das alles widerspreche der wahren Lehre, wie sie in der Bibel so deutlich zum Ausdruck kommt. Dabei wird gerne verschwiegen, dass Jesus Christus kein einziges geschriebenes Wort hinterlassen hat und die Evangelien der Herren Matthäus, Markus, Lukas und Johannes beileibe nicht von diesen geschrieben wurden, sondern von ganz anderen – Jahrzehnte später.
Ich hatte kürzlich das Vergnügen einer Nilkreuzfahrt und kam so etwas intensiver mit den religiösen Vorstellungen der alten Ägypter in Berührung. Wir haben hier mit einem vollkommen anderem und mit nichts zu vergleichendem Götterpantheon zu tun. Ihr ganzes Leben war auf das Jenseits ausgerichtet. Es war immens wichtig, eine Grabstätte zu haben. Die Leiche sollte unversehrt sein. Deshalb entwickelten sich ausgefeilte Techniken zur Mumifizierung. Da die Sonne im Westen verschwand, war das Westufer des Nils der Ort der Grablegung. Alle Königsgräber sind dort. Die Arbeiter, die sie anlegten, durften nie auf das von den „Lebenden“ bewohnte Ostufer übersetzen.
Im Christentum finden wir nicht weniger seltsame Vorstellungen. Vielfach wird geglaubt, dass sich unmittelbar nach dem Tod die Seele auf die Reise Richtung Himmel macht, während der Körper im Grab ruht. Davon ist in der Bibel nicht die Rede. Eine Trennung zwischen Seele und Körper gibt es nicht.
Wer stirbt, ist tot! Nur die Gläubigen werden am Jüngsten Tag erweckt. Über die anderen wird Gericht gehalten.
In den Berichten über sogenannte Nahtoderfahrungen tauchen Bilder von hellem Licht am Ende eines Tunnels auf, Jesus erscheint, verstorbene Angehörige erscheinen usw.
Wir wissen nicht, ob das nicht alles chemische Reaktionen des immer noch aktiven Gehirns sind.
Freunde des Buddhismus reden vom Nirvana, in das sie eingehen. Das ähnelt dem Glauben an den Himmel. Dabei handelt es sich um etwas ganz anderes. Nirvana bedeutet schlicht und einfach verlöschen. Das Feuer des Karmas erlischt mangels Brennstoff in Form von neuem Karma. Der Buddhismus kennt keine Seele oder Geist. Wenn alles Karma aufgearbeitet ist, bleibt einfach – Nichts.
Das Erstaunliche an all dem ist, dass alle glauben, sie haben recht und die anderen nicht. Die Indianer Nordamerikas erkannten in den Mondkratern ein großes Kaninchen. Die Inkas verehrten die Sonne. Sie sind in guter Gesellschaft mit den Japanern und den Ägyptern.
Die Verehrung der Sonne erscheint vernünftig, ist sie doch das Mächtigste, was wir jeden Tag wahrnehmen. Wenn sie nicht scheint, geht es mit der Stimmung bergab. Ihr Licht und ihre Wärme sind der Inbegriff für Leben.
Kein Mensch weiß, was richtig ist. Niemand ist bisher zurückgekommen, um zu berichten. Jede Kultur hat ihre eigenen vielfältigen Vorstellungen von der Macht, die wir Gott nennen. Wenn man die Frühgeschichte des Christentums ansieht und das Wirken der Kirchenväter betrachtet, wird sehr deutlich, wie da eine Religion zusammengebastelt wurde. Es gab viele verschiedene Meinungen, die sehr erbittert gegen die der Anderen vertreten wurden. Es gab Treffen, Meetings – wie wir heute sagen, bei denen dann endgültig festgelegt wurde, was hinfort geglaubt werden sollte. Basta hieß es, das ist jetzt wahr und wer anderer Meinung ist, ist ein Ketzer und den verbrennen wir mal vorsorglich. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder glauben könnte, was ihm passt.
Das alles erscheint sehr willkürlich und insofern ist es nur vernünftig, wenn man für sich aus dem Herzen heraus eine Vorstellung von Gott entwickelt. Manche sind berührt, wenn sie einen uralten Baum sehen. Bei anderen ist es das Meer oder die Berge des Himalayas.
Das ist auch völlig egal, weil es darum gar nicht geht. Ehrlicherweise müssten alle Menschen mit der Behauptung übereinstimmen, dass keiner recht haben kann, denn sonst müssten ja alle anderen unrecht haben, aber die sind ja auch nicht blöd.
Der dänische Philosoph Sören Kierkegaard brachte klar zum Ausdruck, worum es wirklich geht: Die Überwindung des eigenen Egos, das heißt eine erweiterte Wahrnehmung des Seienden, ist nur möglich, wenn man sich einer Instanz außerhalb seiner selbst überlässt. Im Islam heißt das „Inshallah“, die Alten sagten: „Der Herr wird es schon richten.“ Im Hinduismus nennt man es Bhakti. Im Karma-Yoga heißt es, seinen Teil zu tun und nicht nach den Ergebnissen zu fragen. Es geht nur darum, die Grenzen des Egoismus zu sprengen und Kontakt zum „großen Generator“, von dem niemand weiß, was es wirklich ist, aufzunehmen.
Jeder Weg dahin ist individuell und alle Religionen, Philosophien und Ismen sind nur Angebote, die man sich anschauen kann, um zu entscheiden, ob sie für einen passen.