Über das Handeln

IMG_20200607_221217Es ist nicht möglich, nicht zu kommunizieren. Selbst wenn zwei Leute schweigend in zwei Ecken eines Raumes sitzen, kommunizieren sie miteinander, weil sie Signale durch den Körper und die Mimik aussenden.

Ebenso ist es nicht möglich, nicht tätig zu sein. Selbst wenn wir regungslos in einer meditativen Haltung sitzen, tun wir etwas ( z. B.Gehirnaktivität ).

Nun gibt es eine ganze Menge von Tätigkeiten. Wofür wir uns entscheiden, hängt zunächst davon ab, welche Möglichkeiten der Ausbildung und der finanziellen Gegebenheiten wir haben. Dann wäre da das soziale Umfeld, in das wir hineingeboren wurden, nicht zu vergessen unsere Anlagen und Fähigkeiten, schließlich auch unsere moralischen und ethischen Grundsätze.

Nehmen wir einmal einen außergewöhnlichen Menschen wie Anselm Grün. Der Mann ist ein Phänomen. Er ist Cellerar seines Klosters. In der Welt draußen heißt das, dass er Manager ist, der für alle wirtschaftlichen Belange seines Klosters zuständig ist. Auf der anderen Seite ist er Autor, der spirituelle Bücher mit hohen Auflagen schreibt.

Wir kennen alle die Figur des Gordon Gecko, den Michael Douglas in dem Film „Wallstreet“ darstellte. Das ist auch ein Geldmensch, allerdings mit einer anderen Ethik als Anselm Grün.

Es scheint also so zu sein, dass es nicht die Tätigkeit ist, die das Bewusstsein definiert, sondern die Ethik, mit der sie ausgeführt wird.

Gordon Gecko nährt seine Gier durch immer mehr und mehr. Anselm Grün arbeitet mit Geld, um seine Gemeinschaft zu erhalten.

Ich zitiere im Folgenden drei Aussagen aus drei Kulturkreisen zu diesem Thema:

In der indischen Bhagavad Gita, 2. Kapitel, Vers 47 finden wir die Definition des Karma-Yoga, des Yoga der Tat:

Dein einziges Recht ist es zu wirken, und keinen Anspruch hast du auf die Früchte deines Tuns. Lass weder die Früchte deiner Handlung dir Motiv zur Handlung sein, noch wende dich zum Müßiggang.

Der Apostel Paulus schreibt in seinem Brief an die Kolosser:

Denkt bei allem daran, dass ihr letztlich für ihn und nicht für die Menschen arbeitet. Als Lohn dafür wird er euch das Erbe geben, das er versprochen hat. Das wisst ihr ja. Denn Jesus Christus ist euer wahrer Herr!

Kolosser 3:23-24

Die türkische Autorin Elif Shavak schreibt in ihren von den Sufis inspirierten „ 40 Geheimnisse der Liebe“:

Das Gesetz der Reziprozität besagt, dass das, was gegeben wird, wieder zurück kommt. Die Gesamtenergie bleibt erhalten, es finden nur Umwandlungen in der Form, welche die Energie annimmt, statt. So haben wir von den Physikern gehört. Also gibt es nur Transformationsprozesse, die eine Form der Materie verwandelt sich in eine andere, und das Ausmaß des Ganzen bleibt immer gleich. Alles, was existiert, gibt fortwährend vom Eigenen und nimmt vom Anderen, und die Summe all dieser Aktionen ändert sich dadurch nicht.

Tenor aller drei Zitate ist, dass alles Handeln nicht mit dem Bewusstsein der eigenen Bereicherung stattfinden soll, sondern in dem Wissen, dass wir ein Teil eines Ganzen sind, aus dem wir alles, was zum Dasein nötig ist beziehen und in das wir folglich unseren Anteil einspeisen.

Wer in diesem Sinne handelt, ist frei! Alles andere bindet und macht unglücklich.

Man könnte jetzt sagen, wenn sowieso alles in der Summe gleich bleibt, ist es sinnlos, sich für etwas zu engagieren. Lieber sitze ich im stillen Kämmerlein und kümmere mich um mein Seelenheil.

Das ist nicht richtig, denn die Summe der Materie ändert sich nicht, wohl aber ihre Qualität. Schlamm ist Materie, man kann aber auch Gold daraus machen.

Vor 50 Jahren noch durften Frauen ohne Einwilligung ihres Mannes keine Stellung antreten. Zu Beginn der Industrialisierung lebte die Klasse der Lohnabhängigen unter menschenunwürdigen Bedingungen. Wenn im Moment keine Demonstrationen wegen des Todes von George Floyd stattfänden, würde sich nie etwas an der Unterdrückung der Afroamerikaner ändern.

Wir sehen, die Summe des sogenannten Ganzen kann von unterschiedlicher Qualität sein.

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