Kamele und Nadelöhre

„Leichter kommt ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher ins Himmelreich kommt.“ So sprach Jesus zu seinen Jüngern. „Gib all dein Hab und Gut hinweg, auf dass du bereit seist für die spirituelle Erfahrung der absoluten Freiheit des Nichtanhaftens an materiellen Gütern.“

Loslassen, das große Zauberwort aller geistigen und esoterischen Schulen, ist der Weg zur Erleuchtung.

Bisher lag das Beschreiten dieses Weges in der Verantwortung des Einzelnen. Schon im alten Indien war der vierte Schritt des klassischen brahmanischen Lebenslaufs das endgültige Verlassen von Weib und Kind, von Haus und Hof, um hinfort ohne Besitz auf Wanderschaft zu gehen.

Im Moment ist eine große Bewegung zur Unterstützung des materiellen Loslassens über die westliche Welt gekommen. Vor allem die deutsche Regierung wird sich ihrer Verantwortung für das spirituelle Wachstum ihrer Bürger, vor allem der schon länger hier lebenden, immer bewusster.

Nachdem viele Jahre der Diesel als umweltfreundlicher Kraftstoff propagiert wurde, werden Besitzer von Fortbewegungsmitteln, angetrieben von Diesel, durch einen konsequenten Schub des materiellen Loslassens auf den richtigen Weg gebracht. Die neue Generation von Dieselmotoren ist zwar genauso sauber wie Benziner, aber wen kümmern so lächerliche Kleinigkeiten.

Denn, inzwischen wird immer deutlicher, dass das Auto insgesamt von Übel ist, zumindest das Kraftstoff getriebene. Vor allem die sogenannten SUVS sind eine Ausgeburt der Hölle. Es seien Panzer, die auf harmlose Bürger losgelassen werden. Ihr Benzinverbrauch sprengt alle vernünftigen Grenzen. Das ist richtig! Aber was den Panzervorwurf anbelangt schlägt sie jeder Sprinter von UPS um ein leichtes. Selbst der alte Bully der Alternativen mit dem Indianerspruch hintendrauf: „Erst wenn der letzte Baum…“ hat die gleiche tödliche Wirkung, wenn er auf menschliche Knochen stößt. Aber das ist ja was ganz anderes, oder etwa nicht?

Also weg mit den SUVS. Den Besitzern wird auch schon hie und da geholfen, wenn sie das noch nicht so ganz einsehen. Sie brennen gut und der Verlust von einigen Zehntausend Euro ist der richtige Schritt hin zum Loslassen.

Die ganze deutsche Autoindustrie sitzt mittlerweile auf der Anklagebank. Zu groß, zu schwer, zu protzig lautet der Vorwurf. Die Kinderwagen meiner Enkel sind inzwischen schon so groß geworden, dass sie in einen Kleinwagen gar nicht passen würden.

Anlässlich der IAA in Frankfurt wird auch bei den Demos gegen die Autos schon erwähnt, dass diese auch mit „unkonventionellen“ Mitteln bekämpft werden können. Die Jaguarzentrale in Kronberg im Taunus hat das kürzlich erfahren. Dort brannten einige dieser Teufelsfahrzeuge. So richtig mit dem Loslassen geht es erst an, wenn die Zulieferindustrie in Schwierigkeiten kommt. Immerhin hängen am Automobil 1,8 Mill. Arbeitsplätze. Wenn Papa arbeitslos wird, dann fährt die Familie auch nicht mehr nach Timmendorf. Ibiza ist sowieso mega out, denn ohne Flugzeug kommt man da von Deutschland aus nicht hin.

Ganz anders verhält es sich mit Elektroautos. Sie emittieren keine Schadstoffe an die Umwelt, weil der Strom dafür aus der Steckdose kommt und nicht aus hässlichen Kohlekraftwerken. Auch die tonnenschweren Batterien mit all den seltenen Erden und deren Entsorgung ist umweltfreundlich. Die Anschaffung soll gefördert werden. Da sie in der Regel nicht weiter als 450 km fahren, fällt die Fahrt an den Gardasee aus. Für mich würde das auch den Besuchsstop bei meinen Enkeln im Ruhrgebiet bedeuten. Es sei denn, ich hätte einen Elektrozweitwagen, den ich mir nicht leisten kann, denn Schnäppchen sind das nicht.

Greta hat die Richtung auch schon vorgegeben, indem sie schadstoffarm über den Atlantik gesegelt ist. Da wir auch das Fliegen sein lassen, uns gar darob schämen sollten, werden in Zukunft ganze Armadas von Segelbooten über die Weltmeere unterwegs sein. Der globale Handel wird stark verlangsamt und die heimischen Schuh- und Textilmanufakturen werden wieder zu neuer Blüte gelangen. Da fast die ganze Elektronik, einschließlich der Handys aus Fernost kommt, werden die Fruchtzwerge Freitagnachmittag auch das Handy loslassen müssen. Wir werden uns wieder Briefe schreiben und feste Uhrzeiten für unsere Treffen ausmachen müssen. Keine Flashmobs, Spielekonsolen und Gaming- PC’s mehr. Wenn wir schon wieder auf Segelbooten übers Meer fahren, dann sollten wir auch ernsthaft über die Zukunft der Fortbewegung zu Lande nachdenken. Mir fällt da auch nichts Geeignetes ein, denn Pferde fallen flach wegen des CO2-Ausstoßes wie bei den Kühen auch. Die sind ja ebenfalls schon ins Gerede gekommen.

Ich gehöre ja zu den mittlerweile verfemten alten, weißen Männern. Paradoxerweise wird uns das Loslassen überhaupt nicht schwerfallen. Wir kehren einfach zurück zu den Zeiten unserer Kindheit nach dem Krieg. Da gab es kein Shopping, sondern man kaufte, was man brauchte. Mein Zimmer (erst ab 14 ein eigenes, vorher schlief ich auf der Couch im Wohnzimmer) wurde auch im Winter nicht geheizt, wozu gab es Pullover? McDonalds gab es auch nicht, sondern Butterbrote mit Senf. Mein erstes Fahrrad bekam ich mit 12. Vorher fuhren wir mit Erwachsenenfahrrädern unter der Stange durch. Wenn die Hose zu kurz wurde, dann nähten die Mütter eine farbige Borte unten an. Wehe man trat Steine mit den Schuhen. Die mussten geschont werden, usw, usw…

Ein Gedanke zog sich durch unser ganzes Leben: „Unsere Kinder sollen es einmal besser haben.“ Das ist gelungen. Die ganzen Trendshops zeugen davon. Was macht es schon aus, wenn man jede Woche ein bisschen shoppen geht? Ein neues T-Shirt oder Top? Auch das wird flachfallen, denn es kommt mit Containerschiffen aus Fernost. Pfui Teufel! Heute kennen Kinder schon in jungen Jahren die Welt. Ich war mit 15 das erste Mal im Ausland, in Österreich. In Zukunft wird es wieder heißen: „Bleibe im Lande und nähre dich redlich.“ Wir brauchen auch gar nicht mehr in die weite Welt, denn durch Frau Merkels Bemühungen kommt sie zu uns. Ob die Neubürger bei dem ganzen Verzicht mitmachen, bezweifele ich, denn erst muss man was haben bevor man es loslassen kann.

Als der damalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarazzin vor einigen Jahren vorschlug, Harz-Vier-Empfänger sollten in der kühlen Jahreszeit Pullover in der Wohnung anziehen, um Heizung zu sparen, ging ein Protestaufschrei durch die Medienlandschaft. Für mich war das mein Leben lang selbstverständlich, dass man sich erst mal wärmer anzieht, bevor geheizt wird. Wenn das alle machen würden, wäre das energiefreundlicher als alles Gerede von Flugscham und Kreuzfahrtscham.

Ich glaube, den Jungen mit ihrer Pseudoreligion „Klimakrise“ ist gar nicht klar, worauf sie sich da einlassen.

Manchmal sehe ich Bilder vor mir von Menschen, hungrigen Menschen in den Slums von Bombay, an den Bahndämmen von Chennay und auf den überfüllten Straßen von Nairobi – da, wo wirkliche Not herrscht und wo die Masse der Menschheit wohnt. Dort, wo der Hunger nach Wohlstand aus den Augen springt und man alles zu tun bereit ist, um da hin zu kommen, wo wir sind.

Man wird diesen Menschen das nicht verwehren können. China und Indien zusammen sind für ungefähr 50 % des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich.

Wenn bei uns die Energie so teuer geworden ist, dass die Industrie das nicht mehr bezahlen will, werden dort die großen Werke gebaut und zwar nicht so umweltfreundlich wie bei uns.

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