Licht ins Unbekannte

oznor

Seitdem wir Menschen existieren, versuchen wir, die Welt, in der wir leben zu verstehen und zu interpretieren. Zahllose Philosophen und Denker haben zum Teil völlig voneinander unabhängige Philosophiesysteme erdacht und es kommen immer wieder neue Gedanken hinzu.

Wissen wir also Bescheid, „wie der Laden läuft“?

Wir wissen es nicht! Philosophien sind Erklärungsversuche der Phänomene wie sie nun mal sind. Dabei gibt es kulturell bedingt große Unterschiede. Der Osten kennt zum Beispiel den Begriff Karma, der im westlichen Denken fehlt. Insofern kommt es zu völlig verschiedenen Ergebnissen, je nachdem, ob man nach Osten oder nach Westen blickt.

Philosophien sind Krücken, deren wir uns bedienen, um uns im Sein zu orientieren, nichts mehr. Im Grunde sind es Taschenlampen, mit denen wir in das uns umgebende Dunkel leuchten. Deswegen sagte Sokrates: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“.

„Triffst du Buddha unterwegs, töte ihn“, ist ein anderes geflügeltes Wort. Es bedeutet, sich von allen Konzepten frei zu machen und selbst zu ergründen, was ist. Es ist der Weg der Mystiker. Deshalb sind sie bei den Dogmatikern aller Religionen nicht beliebt. Der bekannteste christliche Mystiker, Meister Eckehard, machte keine Karriere in der Amtskirche und die Sufis, die Mystiker des Islams, sind den Mullahs bis heute ein Ärgernis. Wo kämen wir hin, wenn sich jeder sein eigenes Bild machen würde!

Ich möchte noch eine andere Definition hinzufügen. Buddha gilt als der Erleuchtete. Wenn man ihm auf seiner Ebene begegnet, braucht man keinen Buddhismus oder sonst einen „Ismus“ mehr. Dann ist man frei.

Selbst innerhalb in sich geschlossener Philosophiegebäuden gibt es Brüche. Nehmen wir die Samkhya – Philosophie, auf der das Yoga basiert. Samkhya bedeutet Zahl, nämlich die 23 Aspekte, aus denen Materie (Prakrti) besteht.

Es ist ein eigenes Thema, das jetzt im Einzelnen hier aufzuführen nicht der Platz ist. Wichtig zu wissen ist, dass wir Teil der Materie sind. Das bezieht sich auf das Grobstoffliche, den Körper, geht über die Sinne zum sogenannten „Ichmacher = Ahamkara“. Hier definieren wir uns als „Ich“ und identifizieren uns (fälschlicherweise) mit der materiellen Welt. Die feinste Ebene ist Bhuddi, der Intellekt. Durch das Training des Yoga wandelt sich Bhuddi in Totalität zu Sattva , dessen Attribute „vollkommen, wissend, freudig, gelassen, harmonisch, friedvoll usw.“ sind.

In diesem Zustand erkennt der Mensch den Purusa, den wahren Menschen, den Geist, der er wirklich ist und ist befreit (Moksa). Die Buddhisten bezeichnen das als Buddhanatur, die immer da ist, aber nicht erkannt wird.

Das Samkhya ist also eine dualistische Philosophie. Hie die Materie, dort der Geist.

Jetzt hat man ein Problem. Materie gibt es nur einmal. Es ist alles das, was mit den Sinnen, die ja auch Teil von ihr sind, erfahrbar ist. Wenn jetzt ein Wesen den Geist erkannt hätte, würde das genügen, um alle Anderen auch der Erkenntnis teilhaftig werden zu lassen.

Wir wissen aber, dass das nicht so ist. Die Masse bleibt noch ein bisschen in Unkenntnis. Also haben die Samkhyas festgelegt, dass es zwar eine Prakrti, aber viele individuelle Purusas gibt. So konnten sie erklären, warum einer das Samadhi erreicht, der andere aber nicht. Denn Tatsache ist ja, dass jeder den Weg gehen muss und wir sagten vorhin, dass Philosophie die Wirklichkeit erklären will, und an der ist leider nicht zu rütteln.

Das Samkhya ist auch eine nontheistische Philosophie. Gott kommt darin nicht vor.

Patanjalis Yogasutren, die Bibel der Yogis, sind eine Systematik aller Methoden, wie man sein Denken so rein machen kann, dass man den Geist (Purusa) erkennt.

Nun ist ja bekannt, dass man durch Hingabe an Gott (Bhakti) zur Erleuchtung gelangen kann. Die ganze Bhagavad Gita handelt davon.

Was also tun? Die gesamte Samkhya – Philosophie verwerfen? Patanjali bediente sich eines Kunstgriffes.

In seinen Sutren heißt Gott Iswara und die Hingabe (Iswarapranidhana) an ihn ist eines der fünf Niyamas, der Regeln, nach denen man leben sollte.

Wie sich also an einen Gott hingeben, den es im System gar nicht gibt?

Ganz einfach, Iswara ist ein Spezial – Purusa, von Anbeginn an in sich vollkommen und unabhängig, faktisch gottgleich.

Damit war das Problem gelöst. Man konnte als Samkhya-Yogi Bhakti-Yoga betreiben und Samadhi erreichen.

Wir sehen an solchen Beispielen die Unvollkommenheit dieser Erklärungsversuche. Was folgt daraus?

Trau deiner Erfahrung.

Erhalte dir eine gewisse Skepsis gegenüber Dogmen.

Geh deinen Weg und steh wieder auf, wenn du hinfällst.

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