Es war einmal im Paradies. Alles war in bester Ordnung, bis…Wir kennen die Geschichte. Eva hat Adam den Apfel gereicht und damit fing das ganze Disaster an. In meiner revolutionären Jugend hörte man an dieser Stelle der Geschichte dann immer die schlaue Bemerkung: „Tja, er hätte ihn ja nicht nehmen müssen…“
Heute, ein paar Jahrzehnte später und im Umgang mit Frauen wenigstens ein bisschen weiser, sage ich, dass ihm gar nichts anderes übrig blieb. Man stelle sich vor, er hätte nein gesagt. Wahrscheinlich hätte sie ihren hübschen Mund verzogen und vorwurfsvoll gemeint: „Bloß weil es der Alte verboten hat, machst du nicht mit, ich hätte dich für mutiger gehalten.“ Spätestens dann, wenn auch noch gekommen wäre: „Du liebst mich gar nicht!“, hätte er zubeißen müssen, um den Haussegen im Paradies wieder gerade zu rücken.
Genug gescherzt! Heute wird ja viel über Gender und Transformationen von Mann zu Frau und umgekehrt gesprochen. Ich finde das Konzept Animus und Anima von Freuds großem Rivalen Jung zu diesem Thema immer noch sehr aktuell.
Animus ist das männliche, Anima das weibliche Element. Jeder Mensch trägt beides in sich. Naturgemäß haben Männer mehr vom ersteren und Frauen mehr vom letzteren in sich.
Die Geschichte von der Vertreibung aus dem Paradies steht symbolisch für den Übergang aus der Einheit in die Dualität. Die Einheit ist sich selbst nicht bewusst. Um sagen zu können: „Ich bin“, ist das Gegenüber: „Ich bin nicht“ nötig. Das ist Erkenntnis, das war der Apfel.
Wir finden diese Dualität in dem Konzept Yin und Yang. Auch bei den beiden yogischen Nadis Ida (die linke Körperhälfte, weibliche Energie, Symbol Mond, kühl) und Pingala (die rechte Körperhälfte, männliche Energie, Symbol Sonne, heiß).
Das Ziel des Yoga ist, diese beiden Momente im Hauptnadi Sushumna aufgehen zu lassen, mithin aus der Dualität in die Einheit zurückzukehren.
Jeder Mann trägt einen weiblichen Anteil in sich, sonst könnte er keine weichen Gefühle empfinden und zeigen. Das spielerische Element und Fähigkeiten wie Anteilnahme, Empathie, sich hingeben können, Schwächen zugeben können usw. sind seine weibliche Seite. Da sie in seiner Persönlichkeit die „zweite Geige“ spielen, ist es für ihn schwierig, sie wahrzunehmen und zuzulassen. Und doch muss er sie bewusst verwirklichen, um ein „ganzer Mann“ zu sein. Wenn das nicht bewusst geschieht, bricht sich das weibliche Element unkontrolliert Bahn. Das äußert sich dann in launischen und zänkischen Verhaltensweisen. Solche Männer nennt der Volksmund weibisch.
Bei Frauen ist das Ganze natürlich umgekehrt. Sie müssen ihr männliches Element verwirklichen. Sie, die von Natur aus hingebend sind, sollten heraus aus dem:„Das kann ich nicht, dazu bin ich zu schwach, mach‘ du das, ich warte solange…“ usw. Während der Mann sein „Mondelement“ verwirklicht, müssen sie das „Feuerelement“ in sich verwirklichen. Tun sie das nicht auf bewusste Art, bricht es sich trotzdem Bahn. Der allwissende Volksmund spricht dann von Mannweibern.
Die Aufgabe besteht also für Männer darin, die männlichen Eigenschaften Tatkraft, Mut, Zielstrebigkeit, Aggression usw. mit ihren verborgenen weiblichen Eigenschaften Hingabe, Einfühlungsvermögen usw. zu verbinden.
Für Frauen stellt sich die umgekehrte Aufgabe.
Die Integration des anderen in sich ist eine Stufe auf dem Weg zurück zur Einheit.