Was ist Realität?

 

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Tausende von Jahren ging für die Menschen die Sonne im Osten auf, überquerte die still ruhende Erdscheibe und verschwand im Westen. Man glaubte, dass ein Hufeisen schneller zu Boden fiel als ein Taschentuch, bis Galileo das Fallgesetz entdeckte. ( In der sichtbaren Realität fällt das Hufeisen natürlich schneller als das Taschentuch, weil dies einen größeren Luftwiderstand hat, aber unter gleichen Bedingungen, zum Beispiel im Vakuum, würden sie gleich schnell fallen.)

Langsam entwickelte sich eine Vorstellung, dass eine sinnliche Beobachtung erst dann akzeptabel war, wenn sie sich im Experiment generalisieren ließ. Dies war der Beginn eines wissenschaftlichen Blicks auf die Realität. Wissenschaftlich anerkannt werden nur Dinge, die direkt oder indirekt von den Sinnen erfasst werden, sei es unmittelbar oder durch mehr oder minder elaborierte Geräte.

Nun ergab sich im Laufe der Zeit folgende Problemstellung: Je weiter man mit Beobachtungsmethoden und Experimenten in die Tiefe ging, desto kleiner und vielfältiger wurde das, was man entdeckte. Zunächst hielt man die Atome (griech. unteilbar) für die kleinsten Teilchen. Dann erwies sich das als Irrtum und schließlich gelangte man zur Teilchenphysik und zur Quantentheorie, bei der kleinste Teilchen in nicht vorhersehbaren Umständen sowohl als Teilchen als auch als elektromagnetische Felder erscheinen.

In seinem Buch „Das Tao der Physik“ beschreibt Fritjof Capra den Zusammenhang zwischen Beobachter und dem Beobachteten. Er beschreibt, dass der Versuch mit dem erwarteten Ergebnis zusammenhängt. Das heißt nichts anderes, als dass 1+1 nicht 2, sondern auch 3 oder 4 sein kann.

Einstein sagte einst, dass auch eine Menge an Experimenten seine Ansicht nicht untermauern, jedoch ein Einziges seine Theorien zerstören kann. In einem anderen Zitat meinte er: „Soweit die Gesetze der Mathematik auf die Realität verweisen, sind sie nicht sicher und wenn sie sicher sind, verweisen sie nicht auf die Realität.“

In den Anfangszeiten der Wissenschaft dachte man, dass die Realität so wie ein Puzzle ist, bei dem man nur alle Teilchen zusammensuchen müsste, um das komplette Bild zu erhalten. Von dieser Vorstellung musste man sich verabschieden. Je mehr man forschte, desto mehr erfuhr man und desto mehr näherte man sich dem magischen Begriff „unendlich“. Dieser Begriff geht über das menschliche Verständnis hinaus. Letztlich geht das in Richtung Logos oder übersetzt Weltgedanke oder Weltvernunft. Im Sanskrit heißt das Mahat, die kosmische Intelligenz.

Im alten Indien gab es auch schon Forschungsansätze, die in Richtung „Puzzleteile“ – Zusammensetzen ging. Die mathematische Null kommt aus Indien und in Delhi steht seit 700 – 1000 Jahren eine Stahlsäule, die nicht rostet. Dies setzt erhebliche Kenntnisse in Metallurgie voraus. Die größte der Erfindungen aber ist das Yoga. Der Ansatz, der dahinter steckt, ist wahrhaft revolutionär und nimmt die Erkenntnisse, auf die heutige Forscher stoßen, nämlich, dass der Weg in die Unendlichkeit buchstäblich unendlich ist, voraus. Also erkannten sie (die Inder), dass der Weg der Rationalität mittels Sinneswahrnehmung zur Erkenntnis der letzten Realität untauglich ist. Vielmehr setzten sie auf sogenannte nichtrationale Erkenntniswege wie Intuition, Inspiration und Offenbarung. Anstatt den Logos oder Mahat mit unendlichen Experimenten zu „jagen“, schlossen sie, dass das rationale Denken ein ungeeignetes Werkzeug sei und versuchten durch meditative Techniken „hinter das Denken“ zu gelangen. So entstand das Yoga, die Wissenschaft vom Denken. Ziel ist, das Denken soweit zu klären, dass es die täglichen Zerstreutheiten transzendiert und wie ein scharfes Messer den Mahat erkennt.

Beide Wege, der westliche und der östliche versuchen auf unterschiedliche Art, den Urgrund, die letzte Realität, zu erkennen. Gegenwärtig ist man im Westen bei den sechs Grundbausteinen, aus denen die Materie aufgemacht ist, angelangt, den Quarks und schon taucht der Begriff Solitons auf, was noch tiefer führt. Vielleicht trifft man sich bei dem, was die Yogis als Gunas bezeichnen (Siehe Blog – Essay vom 5.8.2017: Es liegen drei glänzende Kugeln…).

Was bedeutet das nun für den Alltag? Nichts anderes als die theoretische Grundlage für Alltagserkenntnisse wie, dass nichts sicher ist, dass man erst einmal schweigend beobachten sollte, das morgen alles ganz anders scheint als heute usw.

Vor allem aber, dass nichts ist, wie es scheint und wir immer wieder versuchen sollten, die Welt der Erscheinungen so zu sehen wie ein Theaterbesucher die Vorstellung auf einer Bühne.

 

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