
1966 hatte die australische Rockband „The Easybeats“ den Hit „Friday on my mind“. Darin geht es um die lästigen Wochentage, die man durchleiden muss, bevor endlich Freitag ist, denn dann geht die Post ab mit den Girls und den Lichtern der City und dem wahren Leben.
In dasselbe Horn stieß 1979 J.J. Cale mit seinem Song „Friday“.
„…Monday I keep thinking
„Weekend’s coming, gonna go home“
Tuesday I hate, oh Tuesday
Ain’t no girls on the streets
Tuesday it ain’t good for nothing
Drinking beer and watching TV
Friday, Friday evening
Come on Friday, it’s been too long…“
Heutzutage wird viel über Work-Life-Balance gesprochen. Beruf und Privatleben sollen in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen. Die Arbeit soll nicht dominieren. Gleichwertig soll die Zeit mit Freunden und Familie daneben stehen. Hobbys und Urlaub nicht zu vergessen.
Wenn man einmal genau dem Wortlaut lauscht, liegt dem Begriff Work-Life eine seltsame innere Haltung zugrunde. Findet Leben während der Arbeit nicht statt? Was passiert dort stattdessen?
Das sind natürlich alles Spitzfindigkeiten. Mir ist schon klar, was damit gemeint ist. Wir sollten nicht vergessen, dass der Arbeitstag zu Beginn der Industrialisierung bis zu 16 Stunden dauerte. Aber davon kann heute keine Rede mehr sein. Wir haben den Achtstundentag mit Gleitzeit.
Ich vermute, dass wir hier werten, und zwar eine Wertung machen, die uns nicht gut tut. Philosophisch gesehen sind wir nur einen Wimpernschlag an Zeit in diesem Leben. Wenn wir einen Tag aufteilen in 8 Stunden Arbeit, 8 Stunden Schlaf und 8 Stunden Freizeit, also der Zeit, auf die es uns ankommt, so „leben“ wir sehr wenig. In diesen 8 Stunden, wo wir glauben, frei zu sein, muss eingekauft, das Auto aus der Reparatur geholt, gekocht, die Schularbeiten der Kinder kontrolliert werden usw., usw.
Schließlich bleiben noch zwei Stunden vor dem Fernseher und der Traum vom nächsten Urlaub.
Es ist ja nicht so, dass wir in der sogenannten Freizeit immer glücklich wären. Gerade im Urlaub habe ich schon Viele beobachtet, die morgens beim ersten Bier saßen und verzweifelt zu überlegen schienen, wie sie den Rest des Tages herumbringen sollten.
Nicht zu vergessen Stress und Streitereien in der Beziehung und in der Familie. Diese Zeit geht auch noch vom „Life“ ab.
Worum geht es eigentlich? Ich glaube, jeder kann zustimmen, wenn ich sage, es geht um glücklich sein. Mehr freie Zeit bedeutet aber nicht mehr Glück.
Yoga hat ein anderes Konzept. Der Begriff Dharma bedeutet, eine sich aus einer gegebenen Situation ergebende Notwendigkeit.
Erstens: Es sind nicht die Dinge an sich, die uns nicht glücklich sein lassen, sondern unsere Einstellung dazu.
Zweitens: Wir müssen’s ja doch machen, ob wir wollen oder nicht.
Drittens: Wenn wir uns bewusst darauf einlassen, dann bekommen die Tagesgeschäfte eine „Glücksqualität“. Sie verändern ihren Charakter. Wir entdecken, dass sich Ungeliebtes plötzlich positiver anfühlt.
Unzufriedenheit ist die Folge von Unbewusstheit.
Wir müssen uns dem Ideal nähern, dass wir mit der gleichen positiven Haltung von einer Situation in die andere gleiten:
Morgens aufstehen, dankbar sein, dass wir dieses Privileg überhaupt haben. Frühstücken, Millionen können das nicht. Auf dem Weg zur Arbeit ist Stau. Anstatt zu schimpfen könnten wir auch die Wolken am Himmel ansehen und darin Elefanten und Trolle entdecken.
Die Schlange an der Kasse bietet eine Menge Möglichkeiten für Unmut. Kann das nicht schneller gehen? Was würden wir denn mit den gewonnenen fünf Minuten machen? Seien wir ehrlich – nichts! Aber der innere Zirkus, den wir mit der Hetze in uns in Gang gesetzt haben, kostet uns fünf Minuten „kleines Glück“.
Merken Sie, worauf es ankommt? Wenn es gelingt, immer wieder und vielleicht auch immer mehr in dieser Haltung zu sein, wird aus „Work“ plötzlich immer mehr „Life“.
Das Bild oben zeigt eine alte Frau, die ich in Kovalam in Südindien beobachtet habe. Eigentlich müsste sie unglücklich sein, denn in unseren Augen ist das, was sie da tut das Allerletzte: aus Steinbrocken Kies herstellen!
Sie erschien mir aber nicht unglücklich!